Hier findet ihr unsere neuesten Blogeinträge
- 1. Liebe auf den ersten Blick: Kauf und Ausrüstung der Amadie
- 2. Ein steiniger Start: Segeln im kroatischen Inselreich
- 3. Europas unbekannte Küsten: Reisen durch Montenegro und Albanien
- 4. Unsere Odyssee: Eine Reise durch Griechenlands felsige Küsten und Inseln
- 5. Pizza, Höhlen und Ausgrabungen: Abenteuer in Italiens Süden (Teil 1)
- 6. Eine Reise durch die Geschichte: Abenteuer in Italiens Süden (Teil 2)
- 7. Ein urbanes Abenteuer: Gestrandet im Trockendock von Barcelona
- 8. Arbeit und Spaß dabei: Entdeckungsreise entlang Spaniens Ostküste
- 9. Der arabische Einfluss: Südspanien von Granada bis Málaga
- 10. Zwei Rückschläge und ein Gewinn: Unsere letzte Mittelmeeretappe
- 11. Die erste Atlantikerfahrung: Inselhopping auf den Kanaren
- 12. Auf der Schwelle zu einer neuen Welt: Wir erreichen das Kap Verdische Archipel
- 13. Die schönsten Ecken der Kap Verden: Ein Besuch in Mindelo und Santo Antao
- 14. Eine lang ersehnte Ankunft: Wir setzen Fuß auf Barbados und die Karibik
- 15. Gestrandet im Paradies: Wir laufen auf Grund vor Grenada
- 16. Zurük im Trockendock: Wir ziehen in unser grenadisches Traumhaus
- 17. Zwei Wochen im Paradies: Unsere Abenteuer auf St. Vincent und den Grenadinen
- 18. Ein kleines Stück Europa im Herzen der Karibik: Unsere Zeit auf Martinique
- 19. Die schönsten Wanderwege der Karibik: Zwei Wochen auf Dominika
- 20. Coming soon
Die schönsten Wanderwege der Karibik: Zwei Wochen auf Dominika
Ah, Dominika, Spitzname „Nature Island“, lange hatten wir uns auf dieses vermeintliche Wanderparadies gefreut, insbesondere seit dem von europäischem Tourismusstandard geprägten Innenleben Martiniques. Von dort war es auch nur ein tagesfüllender Katzensprung von Hauptstadt zu Hauptstadt, von Fort-de-France zu Roseau.
Wir wurden nicht enttäuscht. Nicht weniger als sechs Regenbögen spannten sich über Dominikas sattgrüne Berge, während wir, die Nachmittagssonne im Westen und den Südteil der Insel im Osten, langsam gen Norden an ihr vorbeiglitten. Nicht nur das Wetter hieß uns feucht fröhlich willkommen, auch eine Gruppe kleiner Wale blies den regelmäßigen Schauern ihre eigenen Wasserfontänen entgegen und begleitete uns auf unserem Weg nach Roseau. Unser Aufenthalt vor den Straßen der belebten, aber wenig spektakulären Hauptstadt war jedoch von kurzer Dauer. Sämtliche Einreiseformalitäten für Privatboote waren wegen der Coronapandemie in die nordwestlichste Bucht der Insel nach Portsmouth verlegt worden. Die bedeutete für uns einen weiteren Segel-/Motornachmittag (verflucht seien Dominikas hohe Berge und ihr weitreichender Windschatten), einen halben Tag Bootsquarantäne, 80 Euro für einen Agenten, um uns durch die Einreiseformalitäten zu navigieren, 100 Euro für die Schnelltests bei Einreise (sowohl PCR-Tests, die wir uns noch aufwändig in Martinique besorgt hatten, als auch die Schnelltests waren just an jenem Wochenende aus den Einreiseanforderungen gestrichen worden), einen weiteren halben Tag Quarantäne…uns wir hatten es nach fast drei Tagen endlich geschafft. Wir waren angekommen und freuten uns auf die zwei wohl intensivsten Wanderwochen unserer Reise.





Der Ankerbereich vor Portsmouth wird von einem gut organisierten, privaten Konglomerat aus Taxifahrern, Reiseführern, Fischern und Zollbeamten namens PAYS kontrolliert. Diese Gruppe nimmt für sich das Monopol auf Einnahmen aus den wegen den bis dato harten Coronabestimmungen eher dürftig eintrudelnden Segeltouristen in Anspruch, bietet aber auch entsprechende Services. Nach der Einreise organisierte PAYS für uns Fahrt in einem kleinen Holzkanu auf dem Indian River. Dieses ruhig fließende Naturschutzgebiet (allgemein sind gut zwei Drittel der Insel Naturschutzgebiet), bietet einen perfekten Lebensraum für allerlei Krebsarten, Leguane, Mangroven und Fluch-der-Karibik-Filmcrews. Während wir an den Überresten von Calypsos Hütte, der Wasserhexe aus den bekannten Piratenfilmen, vorbeiglitten, fühlten wir uns wechselseitig wie Indiana Jones, Alexander von Humboldt und Jack Sparrow. Unsere Bootsfahrt endete einen Kilometer weiter Inland an einem kleinen, von Schlingpflanzen überwachsenen Steg. Während wir unserem Guide über einen schmalen Trampelpfad, dessen Ränder gerade von anderen PAYS-Mitarbeitern mit allerlei farbenfrohen Blumen bepflanzt wurde, griff dieser regelmäßig links und rechts ins Dickicht und zog wahlweise Zitronengras, Sternfrüchte, Ananas, Basilikum, Bananen oder Salbei heraus. Ziel unserer kleinen Wanderung war eine Dschungelbar, wo man sich die Zeit mit Bananenblattorigami, Rumpunsch und Domino vertrieb, wobei letzteres einzige Siegbedingung zu sein schien, die Steine möglichst laut auf den Tisch zu knallen.
Der Folgetag führte uns zu Fort Shirley auf der Halbinsel nördlich der Bucht. Der Haupttrakt dieser 300 Jahre alten britischen Befestigungsanlage wurde mit EU-Subventionen aufwändig restauriert, beherbergt Museum und Jugendherberge und gibt einen fantastischen Einblick in das Leben der Rotjacken, die hier einst zum Schutz gegen Piraterie, Franzosen und ähnlich verderbliche Auswürfe der Karibik des 18. Jahrhunderts stationiert waren. Auf den zugehörigen Hügeln fanden sich zudem verfallenen Quartiere, Kanonenbatterien, ein unverhüllter Blick auf Guadeloupe und das einzige Hotelressort, das wir auf dieser Insel zu Gesicht bekommen sollten.



An unserem dritten Inselerkundungstag gönnten wir uns den nie dagewesenen Luxus eines privaten PAYS-Tourguides, der uns zu den ganzen Tag über zu den Highlights der Insel chauffierte. Mittlerweile hatte sich uns Alex, ein schweizer Einhandsegler, den wir bereits in der Grenada Marina kennengelernt hatten, angeschlossen (da die meisten Segelschiffe in der Karibik ungefähr die gleiche Route in ungefähr dem gleichen Tempo segeln, ist es nicht ungewöhnlich alle paar Tage immer wieder auf die gleichen Crews zu treffen). Unsere Tour führte uns durch zahlreiche Dörfer und Bergrücken, denen noch immer schwere Sturmschäden des letzten Hurrikans anzusehen waren und stoppte zunächst an einem kleinen, etwas verwilderten schottischen Gutshof. Dort führte uns ein sympathischer Schotte mittleren Alters, den man nur als komischen Kauz bezeichnen konnte, durch seine hauseigene Garagenschokoladenfabrik. Die produzierten Mengen waren nicht groß, aber von ausgezeichneter Qualität, so dass wir uns genüsslich mit der einzigen vollständig lokal produzierten Schokolase eindeckten. Ein kleiner Fußweg führte uns auf ein Massiv roter Felsklippen, die von engen Schluchten durchzogen und ringsum spektakulär von brechenden Atlantikwellen umtost wurden. Weiter ging es an einen der zahlreichen, wunderschönen und abgeschiedenen Sandstrände Dominikas, der geradewegs Stevensons Schatzinsel entsprungen zu sein schien. Unsere nächste Station war ein Besuch im Carib Territory, dem einzigen Reservat der Karibik für seine ursprünglichen Bewohner, das heißt die Insulaner, die die Region vor Eintreffen der europäischen Kolonialisten und den tausenden afrikanischer Sklaven in deren Schlepptau, bevölkerten. Kaum 4.000 Kariben sind hier noch beheimatet und führen in einem hübsch gemachten Kulturzentrum durch ihre Geschichte, Religion, Politik und Handwerkskunst. Nächster Halt: UNESCO Weltnaturerbe Emerald Pool, wie der Name sagt ein bläulich schimmerndes Badebecken, versteckt zwischen haushohen moosigen Überhängen und gespeist durch einen erfrischend kühlen Wasserfall. Die letzte Station waren zwei weitere der gut dreißig größeren Wasserfälle der Insel, die sich vor allem durch die abenteuerliche Klettertour an ihre Füße auszeichneten. Was ein Tag!





Und die Abenteuer hörten nicht auf. Am nächsten Tag hatten wir uns in guter Tradition der Amadie das Ziel gesetzt, den höchsten Berg der Insel, den Mt. Diablotin zu ersteigen. Keine Ahnung, wie man auf die Idee kommen konnte, auf der regenreichsten Insel der Karibik bei einer Wanderung durch den Regenwald auf einen Berg, dessen Gipfel an neun von zehn Tagen in den Wolken steckt, keine Regenjacke mitzunehmen. Jedenfalls waren einige Wandergruppenmitglieder noch vor den ersten hundert Höhenmetern völlig durchnässt, aber nach wie vor euphorisch. Denn auch wenn sich der abenteuerliche „Weg“ zu einer halsbrecherischen Rutschparty und mörderischen Schlammschlacht entwickelte, bereiteten die gelegentlichen Kletter- und Kriechherausforderungen über Felsbrocken und durch meterhohes Wurzelwerk doch allen großen Spaß. Oben angekommen sahen…nichts. Aber davon ganz schön viel. Vor allem viel graue Wolke. Manchmal ist halt einfach der Weg das Ziel.



Es folgten ein Tag an Dominikas schönstem, palmengesäumten Strand (ein weiterer Fluch der Karibikdrehort), ein Erholungstag in einer Strandbar oder parallel einer weiteren Vogelbeobachtungswanderung auf einem der über 200km langen Wanderwege der Insel und schließlich ein BBQ-Abend am Strand bei PAYS. Leider beschränkte sich dieser nicht nur aufs BBQ, sondern enthielt auch eine All-you-can-drink-Rumpunsch-Flatrate. Ein furchtbares Teufelszeug. Schmeckt wie Fruchtsaft und hat die Prozente eines milden Rums. Die Musik und ausgelassene Stimmung der anderen Bootsbesatzungen um uns herum taten ihr übriges. Weitere Details müssen an dieser Stelle leider zensiert werden, aber ohne jegliche Übertreibung kann behauptet werden, dass zwei unserer Crewmitglieder in dieser Nacht fast gestorben wären.

Szenenwechsel; Aufblende; Tag; Innen: Tilman steht am Herd und brät das übliche Katerfrühstück in Form von 50 extra dicken Pfannkuchen. Ungefähr zwölf Stunden später hat sich auch der letzte aus dem Bett geschält und ein paar Katerkalorien zu sich genommen. Wir hatten nun das Gefühl, im Norden alles Wichtige gesehen zu haben (und uns nicht mehr blicken lassen zu können) und starteten einen neuen Versuch Dominikas Süden zu erkunden. Basislager hierfür war Roseau, der einzige andere Ort, an dem man außer Portsmouth ankern durfte. Unsere erste Wanderung führte uns über die wolkenverhangenen Kraterrücken um einen Süßwassersee im Zentrum des Morne Trois Piton Nationalparks. 30% der Energie Dominikas wird durch Wasserkraft aus solchen Seen erzeugt. Von dort führte uns ein verregneter Trampelpfad zu den Trafalgar Falls, zwei Zwillingswasserfälle an deren Fuß heiße Quellen aus der Bergflanke sprudelten. Für uns die perfekte Gelegenheit nach der anstrengenden Wanderung einen Spa-Tag einzulegen. Zwischen den dampfenden Schwefelbecken und den kühlen Flussläufen hin- und her zu wechseln, war eine erquickende Wohltat, derer erst die hereinbrechende Dunkelheit Einhalt gebot.


Die einzige logische Folge war am nächsten Tag einen Ausflug zu weiteren heißen Quellen zu unternehmen, die diesmal nicht in einen Wasserfall, sondern direkt ins Meer mündeten. Zwar war das erhitzte Becken nur knapp 30 Zentimeter tief, aber liegend kann man seinen Rumpunsch im Ozean ohnehin viel besser genießen. Die einzige logische Folge davon, war dann allerdings ein Erholungstag vom Erholungstag. Nur Jan und Saskia nahmen tapfer eine weitere Wanderung ins Herz der Insel in Angriff. Dominikas schönster Wanderweg, die Boiling Lake Tour, führt zunächst einige Kilometer durch den bekannten, wildwüchsigen Regenwald. Je weiter wir ins Landesinnere vordrangen, desto rauer und unwirtlicher wurde die Landschaft. Laubbäume wichen Felsspalten, dunstige Nebelschaden stinkenden Schwefeldämpfen und kristallklare Bäche kochenden Schlammpfützen. Nach drei anstrengenden Stunden blies der kräftige Wind schließlich eine Lücke in die warmen Dampfschwaden, die uns aus allen Richtungen entgegenschlug und vor uns breitete sich ein gräulicher, 100m breiter See. Wie ein überdimensionierter Topf Nudelwasser blubberte und kochte es überall auf der Wasseroberfläche, eine hineingetauchte Zehenspitze bestätigte schmerzhaft die Vermutung: Wir hatten den Boiling Lake erreicht. Auch wenn es auf Dominika lange Zeit keinen Vulkanausbruch gegeben hatte – die vulkanischen Kräfte sind hier nach wie vor überaus präsent. Auf dem Rückweg dieser letzten Wanderung verabschiedete uns Dominika mit dem obligatorischen tropischen Platzregen. Teilweise standen wir verwirrt vor kleinen Wasserfällen, nur um nach einigem Herumgesuche festzustellen, dass diese wohl mal unser Hinweg gewesen waren. Sehr dreckig, sehr nass und sehr glücklich versammelte sich wieder die gesamte Crew zusammen mit Alex auf der Amadie und plante unsere Weiterreise.



Wir hatten erstmal genug von Dauerregen, Rumpunsch und Wanderungen. Dominika hatte uns viel gegeben, aber auch viel Energie und Material gekostet. Auf dem Weg nach Norden legten wir noch einen schnellen Strandtag im Fall von Jan, Tilman, Saskia und Matze ein, beziehungsweise eine kleine Spritztour im Mietwagen im Fall von Philipp, Hendrik und Alex. Dann war es Zeit die Segel zu neuen Abenteuern zu setzen und das Wanderparadies zu Gunsten unbekannter, karibischer Gefilde hinter uns zu lassen. Doch für euch, liebe Leser und Leserinnen, liegt diese Reise durch die fantastischen grünen Wälder und von Papageien bevölkerten Berge des „Nature Islands“ noch vor euch; viel Spaß bei unserem Dominika-Video:
Ein kleines Stück Europa im Herzen der Karibik: Unsere Zeit auf Martinique
Lange hatten wir nicht mehr so einen intensiven Segeltag, wie auf der Überfahrt nach Martinique. Seitdem wir auf Grenada die unsanfte und viel zu enge Bekanntschaft mit einem karibischen Riff gemacht hatten, ist unsere Policy keine Ankerplätze mehr im Dunkeln anzulaufen. Um das französische Departement mit den letzten Sonnenstrahlen nach 65 Seemeilen zu erreichen, bedeutete dies ein Auslaufen von St. Vincent um fünf Uhr morgens und eine Durchschnittsgeschwindigkeit von fünf Knoten. Gesagt, getan. Im Kanal zwischen St. Vincent und der nördlich gelegenen Nachbarinsel St. Lucia kamen wir wie geplant gut voran. Als sich Steuerbord zusehends die spitzen Gipfel St. Lucias im Dunst abzeichneten, bekamen wir nicht nur ein wehmütiges Gefühl, diesen mystisch anmutenden Ort aus Zeitgründen skippen zu müssen, sondern auch die Windverwirbelungen im Schatten der Insel zu spüren. Einige Stunden arbeiteten wir regelmäßig an den Segeln, fuhren Wenden, trimmten Achterstag und Schlitten. Mit St. Lucia im Rücken zeichnete sich Martinique bereits am Horizont ab, doch wir hatten ein neuerliches Problem. Während einer Wende hatte eine Genuaschot ein aufgewickeltes Fall vom Mast losgeschlagen. Das Seil hing über die Reling, wurde unters Boot gezogen und hatte sich um die Schraube gewickelt. Keine Chance, so den Motor zu starten oder bei dem Wellengang das Seil loszuschneiden. Wir eilten so schnell uns die Winde trugen in den Wellenschatten Martiniques. Mit dem letzten Tageslicht gingen unsere mit Messer bewaffneten Taucher zwei Meilen vor der Küste ans Werk und befreiten die Schraube. Die Sonne war bereits untergegangen, nur die nächstgelegene Bucht und das auch nur unter Motor war für uns noch zu erreichen. Zwanzig Minuten später fiel der Anker auf europäischem Unterseeboden, die Dutzenden Schiffe um uns herum nur noch graue Schemen in der einsetzenden Nacht. Wir hatten es geschafft!



Früh am nächsten Morgen verließ uns unser Stammgast Tobi für einige Wochen Wanderurlaub in Panama. Doch die Amadie blieb nicht lange ohne Besuch. Den Vormittag nutzen wir, um an der Südküste Martinique in östlicher Richtung nach Le Marin überzusetzen. Die kleine Küstenstadt entpuppte sich als einer der größten Yachthäfen der Karibik. Gut und gern tausend Sportboote liegen hier in und um einem gigantischen Bojenfeld. Hunderte Kailiegeplätze und Yachtserviceläden mit Spezialisten für jedes nur erdenkliche Bootsproblem komplettierten das Angebot. Es ist wohl nicht unüblich für die Seglernation Frankreich, sich statt einer Ferienwohnung ein Ferienboot in der Karibik zu halten. Ob dieses auch gesegelt wird, ist eine andere Frage. Teilweise fühlten wir uns wie an den überfüllten Fahrradständern eines Unicampus, an dem faule Studierende ihre ausgemusterten Treter zum Sterben abladen.
Unsere erste Herausforderung bestand darin, uns nach dem pragmatischen Chaos von Grenada und St. Vincent wieder an einen europäischen Lifestyle zu gewöhnen. Straßen, Supermärkte, Ferienwohnung, Linienbusse, das alles könnte man genauso an der Côte d’Azur vorfinden. Unsere erste Station war die Ferienwohnung von Jans Mutter Maike und Stiefvater Manuel, wo wir herzlich mit Grillgut, Salaten und einer Waschmaschine begrüßt wurden. Die schmutzige Wäsche von vier verschwitzten Seglern ist ein nicht zu unterschätzender dreistelliger, monatlicher Kostenfaktor und wir sind froh über jede Gelegenheit, eine Gratiswäsche ausnutzen zu können. Nach herzlicher Begrüßung bezogen alle am nächsten Tag ihre Kajüten auf der Amadie. Eine Visite im hafennahen Supermarkt eskalierte zum größten Einkauf seit Spanien. Zu verlockend war das französische Sortiment mit mehr als einer Sorte Käse, richtiger Butter und bezahlbarem Müsli.




Unsere erste Station führte uns nur drei Meilen aus der Bucht Le Marins nach St. Anne. Der Küstenort wird in Reiseführern für seine schöne Lage und Strände gerühmt. Ein lohnendes Ziel dachten wir – und dreihundert andere Segelboote ebenso. Nachdem wir uns zwischen die Armada gequetscht hatten, bot der nächste Tag Gelegenheit für einen Tauchgang oder eine Wanderung entlang der wilden, aber völlig von französischen Touristen überlaufenen Atlantikküste. Zu allem Überfluss riss uns gegen Mitternacht ein Ruck und lautes Scheppern aus den Kojen. Blitzschnell stand unsere Crew am Bug der Amadie, wo eine völlig besoffene französische Crew es für eine gute Idee gehalten hatte, mitten zwischen hunderten, eng liegenden Booten in der Dunkelheit zu SEGELN und natürlich waren sie ausgerechnet in unserer Ankerkette hängen geblieben. Nachdem wir das Chaotenschiff weggeschoben hatten, ließ sich zum Glück kein Schaden am Rumpf der Amadie feststellen. Trotzdem lichteten wir früh am nächsten Tag den Anker und machten uns auf den Weg Richtung Hauptstadt Fort-de-France.


Unterwegs hielten wir an einem kleinen Dorf in einer idyllischen Bucht, einem Zwillingspaar weißer und schwarzer Sandstrände und einem palmenbewachsenen Strand vor einer kleinen Insel mit Blick auf die im Dunkeln hell erleuchtete Küste Fort-de-Frances. All diese Ankerplätze waren klein und ausgesprochen schön, aber touristisch sehr gut erschlossen und entsprechend überfüllt, ganz anders als wir das von den Nachbarinseln gewohnt waren. Lediglich die kleine Insel in unserer dritten Bucht schien verlassen. Ein verfallener Anleger und schattiger Waldweg führten in die Mitte der Insel, wo ein großes, gut erhaltenes Fort über der Bucht thronte. Der Stacheldraht um das Eingangstor diente sicherlich nur dazu, die Ziegenherde im Innern der Festungsanlage zu halten, so dass wir es uns nicht nehmen ließen, die verlassenen Wehrgänge, Geschützbatterien und Soldatenquartiere näher zu inspizieren.



Schließlich erreichten wir am Sonntag, dem 13. Februar die Hauptstadt, wo man sehr schön und unkompliziert direkt vor der Mauer der namensgebenden, imposanten Festungsanlage ankern kann. Eine Besichtigung selbiger, wie auch des Rests der Stadt viel jedoch sehr kurz aus, da 99% aller Geschäfte und Einrichtungen sonntags in der Karibik und insbesondere auf Martinique geschlossen haben. Der Eindruck, den wir von der Stadt gewinnen konnten, war auch so nicht überwältigend. Eine reich verzierte Kirche und Bibliothek aus dem 19. Jahrhundert, ein kleiner Park voller Sockel einiger während kürzlicher Proteste zerstörter Statuen, ein paar historisch anmutender Holzhäuser zwischen ihren mit Graffiti entstellten, steinernen Nachbarn – sonst hat die Hauptstadt Martiniques wahrlich nicht viel Touristisches zu bieten. Schnell die Segel gesetzt und weiter nach Norden.



Je weiter wir uns von Le Marin entfernten, desto dünner waren die Buchten beankert, desto weniger französische Familien säumten die Strände. Der letzte Hotspot gen Norden ist die alte Hauptstadt St. Pierre. Der Ort wurden 1902 bei einem Ausbruch des nahegelegenen Vulkans Mont Pelée komplett zerstört, 30.000 Einwohner starben binnen drei Minuten und ein Dutzend Schiffe in der Bucht wurden rettungslos versenkt. Die Ruinen einiger der massivsten, alten Steingebäude sind noch heute zu besichtigen – ein Theater, ein Gefängnis, eine Kirche, ein Lagerhaus. Die Steinruinen weckten Erinnerungen an Pompeji. Die restaurierte Uferpromenade lädt heute jedoch wieder zu kurzen Spaziergängen ein und einen Kilometer Inlands steht eine kostenlos zu besichtigende Rumdestillerie. In der Destillerie Depaz kann man eine selbstgeführte Tour durchs ganze Werk machen, in dem mit teilweise hundert Jahre alten Dampfmaschinen nach wie vor hochprofessionell und produktiv das berühmteste Getränk der Karibik gepresst, fermentiert, in Fässern gereift und Flaschen abgefüllt wird. Der süßliche Geruch von Zuckerrohr hängt über der gepflegten Parkanlage inklusive Herrenhaus im Schatten des Mont Pelée. Die Gelegenheit, unsere eindrucksvolle karibische Rumsammlung um eine lokale martiniquesche Spezialität zu bereichern. Natürlich ließen wir es uns auch nicht nehmen, die bei dem Vulkanausbruch gesunkene Flotte mit unserer Tauchausrüstung zu erkunden. Nach 120 Jahren sind zwar nur noch die korallenbewachsenen Rümpfe der Holzschiffe erhalten, aber die Suche nach den vereinzelten Wracks, diesen Inseln des Lebens in einer sonst in alle Richtungen identischen aussehenden, blau schimmernden Seegraswüste, war ein unheimliches und zugleich unterhaltsames Abenteuer. The opportunity to enrich our impressive Caribbean rum collection with a local Martinique speciality. Of course, neither missed the opportunity to explore the fleet that sank during the volcanic eruption with our diving equipment. After 120 years, only the coral-covered hulls of the wooden ships remain, but the search for the isolated wrecks, these islands of life in an otherwise identical-looking, shimmering blue seaweed desert in all directions, was an eerie and at the same time entertaining adventure.



Unsere zwei schönsten und letzten großen Erkundungen Martiniques führten uns erstens zur Bucht Anse Couleuvre. Zu weit nördlich, um komplett vor den Atlantikwellen geschützt zu sein, verschlägt es nur wenige Segelschiffe an diesen traumhaften, unberührten Strand. Auf beiden Seiten von hohen Felswänden eingerahmt, im Schatten tropisch bewachsener Zuckerhutberge und ausladender Palmendächer, zeigt sich hier die Karibik von ihrer besten Seite. Zwei Tage schnorchelten wir hier mit Schildkröten, bauten Sandburgen und wanderten auf gut ausgebauten Trampelpfaden durch die Ruinen verfallener Plantagen und tropischer Wälder entlang Martiniques wilder Nordküste.




Der zweite Ausflug hatte als Ziel die Besteigung des höchsten Bergs der Insel, des berüchtigten Mont Pelée. Anders als auf St. Vincent ist dieser Vulkan touristisch gut erschlossen, die Pfade auf seinen Gipfel leicht erkennbar und markiert. Verdammt anstrengend war es trotzdem. Vom Fuß des Gipfels geht es noch 1.000 Höhenmeter steil bergauf. Arme und Beine kommen meist gleichermaßen zum Einsatz, während es immer weiter hinaufgeht über die Felsbrocken, die sich vor vier Generationen aus dem Schlund des Vulkans ergossen. Wolkenfetzen schießen über die Kämme und jeder Stein ist von saftig grünem Moos, Farnen und Buschwerk bewachsen. Die zerklüftete, lebendige Bergwelt, stets gehüllt in faserige Nebelschleier, wirkt wie die Blaupause eines Fantasyfilmsettings. Der kräftige Wind riss permanent an der dichten weißen Wand, die schließlich kapitulierte und den Blick freigab auf das Miniaturidyll, das sich zu unseren Füßen bis nach Fort-de-France ausbreitete, als hätte ein tropenversessener Modellbauer im Rausch seine gesamten Baum- und Hofbestände verstreut. Der Abstieg auf der Westseite des Berges wandelte sich bald von einer Kletterpartie zu einem ausgedehnten Waldspaziergang, an dessen Ende mehrere Liter eiskalter Getränke in einer Hafenbar dran glauben mussten.
Unsere letzte Etappe führte und zurück nach Fort-de-France, wo uns die zur Weiterreise obligatorischen PCR-Tests, ein Putz- und Einkaufstag sowie ein Crewwechsel von Stammgästen Maike und Manuel zu Stammgästen Matthias und Saskia erwarteten. Der letzte Abend wurde zu acht entsprechend ausgelassen mit Pizza und von Sonne, Wein und Herzlichkeit geröteten Wangen an Deck der Amadie gefeiert. Unser nächstes Ziel heißt nun Dominika, zu dem wir natürlich nicht Aufbrechen wollen, ohne vorher wärmstens unser Martinique-Video zu empfehlen:
Zwei Wochen im Paradies: Unsere Abenteuer auf St. Vincent und den Grenadinen
Am 28. Januar, knapp acht Monate nach unserer Abfahrt aus Kroatien, erreichten wir schließlich eine Gegend, die vielfach als die schönste Region der Südkaribik bezeichnet wird. Die stets verlässlichen Passatwinde trugen uns zügig gen Norden und hinein in die Grenadinen. Dieses 32 Inseln, aber gerade mal 17.000 Einwohner umfassende Inselarchipel bildet für Segler die perfekte Brücke zwischen den zwei Hauptinseln Grenada und St. Vincent. Seit Kroatien waren wir in keiner vergleichbaren Region mehr unterwegs gewesen, bei der man den nächsten Zielhafen, die folgende Bucht, die benachbarte Insel bereits aus dem aktuellen Ankerspot sehen konnte. Die Grenadinen versprachen seglerisches Inselhopping vom Feinsten. Und wir wurden nicht enttäuscht.


Als erste Station liefen wir Union Island an, wo wir die übliche Einreiseprozedur bestehend aus Health Screening, Passkontrolle und Bootsanmeldung hinter uns brachten. Der Hauptort Clifton ist etwas touristisch angehaucht, hat sich dieses Privileg aber mit seinen schützenden Riffen, seinen gemütlichen Bars und seinen bewaldeten Bergen im Hintergrund durchaus verdient. Ein winziger Flugplatz mit einer einzelnen Landebahn, die gerade lang genug für kleine Propellermaschinen ist und einige geschützte, von Windsurfern favorisierte Strände vervollständigen das Reiseangebot. Uns jedoch zog es rasch weiter auf die kleine Nachbarinsel Mayreau. So belebt die Ankerbuchten mit anderen Segelschiffen waren, so einsam waren die palmenbewachsenen Sandstrände, an denen wir die nächsten zwei Tage unsere Hängematten aufspannten, Bücher aufschlugen und Volleybälle fliegen ließen. Die gesamte Insel ließ sich entspannt an einem Nachmittag überqueren und die gastfreundlichen Bewohner hießen uns freudig in einer der wenigen geöffneten Bars zu Bier und Trommelsessions willkommen.
Doch bevor wir uns zum absoluten Highlight der Grenadinen aufmachen konnten, mussten wir Union Island noch einen kurzen Besuch abstatten. Denn dort erwartete uns Gerüchten zufolge der heilige Gral, das El Dorado eines jeden Weltumseglers, der lange verschollene Goldschatz der Karibik. Auf einer vergilbten, vom Salzwasser zerfressenen Seekarte hatten wir ein dickes rotes Kreuz auf einer kleinen Werkstatt am Strand östlich von Clifton entdeckt. Nach wochenlanger, auszehrender, ermüdender Suche, die mehr als ein Crewmitglied an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte, hatten wir ihn endlich gefunden, unseren Erlöser „Jack the Mechanic“. Hinter einigen Autowracks hatte der Mechaniker in einem vollgestellten Schuppen ein altes, vergammeltes Dinghi aufgehoben, das KEINE Luft verlor. Eine Eigenschaft, die in der Karibik, wo niemand ein funktionsfähiges Dinghi verkauft, kaum mit Gold aufzuwiegen ist. Das wusste leider auch der Verkäufer Jack, der uns trotz zäher Verhandlungen über 1.000 Golddublonen für das gut zehn Jahre alte Gefährt abpresste. So ein Pirat!
Egal. Schwamm drüber, Außenborder angehängt und losgebrettert. Trotz des stolzen Preises bereute keiner von uns den Kauf. Denn das neue Dinghi blieb nicht nur prall gefüllt, es ist auch gut einen halben Meter länger als unsere altersschwache Brig. Das klingt nicht nach viel, aber in unser neues Beiboot passen bequem sechs Personen mit Gepäck, während in dem alten nicht mal vier Insassen trocken anlanden konnten. Das neue Gefährt wurde gleich mit einer Testfahrt zu einer Bar erprobt, die eine Meile vor Clifton mitten im Wasser auf einem Riff aufgeschüttet worden war. Welch bessere Szenerie, um auf unsere neu gewonnene Wassermobilität anzustoßen.




Am nächsten Tag zogen uns die Segel zur Inselgruppe der Tobago Cays. Dieses Archipel scheint direkt dem Cover eines Reiseprospekts über die Karibik entsprungen zu sein. Hinter einem kilometerlangen schützenden Riff, das die von Osten einlaufenden Wellen bricht, findet sich zwischen einer Handvoll mit Palmen, Kakteen und Buschwerk bewachsener Inselchen der perfekte Ankerspot. Die winzigen Eilande laufen zu allen Seiten in weißen, schattigen Sandstränden aus, von wo der Schritt ins dreißig Grad warme, kristallklare Wasser, nicht nur eine Einladung, sondern geradezu ein Muss ist. Drei Tage erkundeten wir jede der paradiesischen Inseln und die von Schildkröten und Fischschwärmen bewohnten, vorgelagerten Riffe und verbrachten einige sehr nette Abende an Bord einiger französischer Segler (die mit Abstand größte Segelnation in der Karibik) und der Amadie – unserer Eiswürfelmaschine sei Dank.



Vermutlich hätte man auch mehrere Wochen auf den Tobago Cays verbringen können, doch unsere Entdeckerlust (und Silas Heimflugtermin) trieb uns weiter nach Norden. Den letzten Stopp vor der Hauptinsel St. Vincent legten wir auf Bequia ein. Wie bereites auf den anderen Grenadinen-Inseln bekräftigte sich hier der Eindruck, dass die Dörfer auf St. Vincent und den Grenadinen (SVG), zwar ebenso gastfreundlich und idyllisch gelegen sind, wie auf Grenada, insgesamt aber doch etwas heruntergekommener und einfacher. Gewürzhandel und Tourismus scheinen hier nicht so zu florieren, wie in dem immergrünen Nachbarstatt. Trotzdem hatten wir Spaß daran den Hauptort Port Elizabeth (diese Städtenamen aus der Kolonialzeit haben einfach etwas für sich) und die umliegenden Hügel wandernd und joggend zu erkunden. Das Abschnorcheln eines dreißig Jahre alten Schiffswracks durfte natürlich ebenfalls nicht fehlen. Auch die zuvor gänzlich ungeübten Crewmitglieder können mittlerweile ohne Probleme und Ausrüstung in 10m Tiefe die Wunder der Tiefsee zu bestaunen. Es ist schön diesen Trainingseffekt deutlich zu merken.



Doch schließlich war der unvermeidliche Moment gekommen, an dem unser Langzeitcrewmitglied Silas, der uns mittlerweile fast vier Monate oder unsere halbe Reise begleitet hatte, den Heimweg antreten musste. Nach einem herzlichen, aber natürlich wehmütigen Abschied mussten zur Trauerbewältigen die Biervorräte der bunten Hafenbar dran glauben. Auch ihr seid herzlich eingeladen, Silas ein letztes Mal auf seinem Abenteuern mit uns in unserem Grenadinenvideo zu begleiten:
Am nächsten Tag begann mit der Ankunft auf St. Vincent eine der besten und erlebnisreichsten Wochen unserer gesamten Reise, die wir hier nur viel zu kurz darstellen können:
Tag 1: Ankunft am Fort Duvernette. Auf einem kurz vor der Südküste von St. Vincent 50m steil aufragenden Felsen lassen sich die Überreste dieses alten britischen Forts besichtigen. Verrostete Mörser und Kanonen sind über die Flanken dieses uneinnehmbaren Brockens in mehreren Geschützbatterien verteilt, um die umliegenden Buchten gegen Angriffe der Franzosen vom Wasser und der von ihnen unterstützten Insulaner von Land zu verteidigen.
Tag 2: Wanderung durch das Mesopotamia Tal. Dieses wunderschöne grüne Tal wird auch als Garten Gottes oder Brotkammer St. Vincents bezeichnet. Erst mit dem Bus und dann zu Fuß durchquerten wir die Schlucht vom Meer zu dem bewaldeten Bergrücken in der Mitte der Insel. Links und rechts des Weges waren überall kleine Felder, immer unterbrochen von Wiesen, Wäldern und vereinzelten Obstbäumen, verteilt. Die größtenteils von Hand bestellten Parzellen waren ein Musterbeispiel für nachhaltige, ökologische Landwirtschaft. Am Ende des Tals erreichten wir einen über hundert Jahre alten botanischen Garten. Wie die Gemüseäcker reihten fügten sich auch die Gartenanlagen perfekt in die natürliche Vegetation der Insel ein. Mehrere Stunden wandelten wir wie hypnotisiert durch die abwechslungsreichen Grünanlagen. Man vermochte kaum zu sagen, wo der Garten aufhörte und der Wald begann, doch entdeckten wir immer wieder ein neues Geheimnis, sei es ein verwunschener Wasserfall, eine verschnörkelte Gartenlaube oder eine der Dutzenden Pflanzen, die wir noch nie zuvor gesehen hatten.



Tag 3: Besichtigung von Fort-de-France. Die industriell geprägte Hauptstadt des Landes hat nicht viel zu bieten. Das Fort, das über der Stadt thront bietet jedoch einen hervorragenden Ausblick über die umliegenden Buchten und bietet eine kleine Kunstausstellung über die koloniale Vergangenheit St. Vincents. Die Marktstände der Stadt sind laut und lebendig und die alte gotische Kirche aus dem 17. Jhdt. Steht vielen europäischen Gotteshäusern in nichts nach. Währenddessen erlegten unsere fähigsten Sperrfischer zurück am Fort Duvernette einige köstliche und (lebend) hochgiftige Feuerfische zum Abendessen.

Tag 4: Schnorchelparadies in einsamer Bucht. Die schönsten Orte auf einer Segelreise finden sich meist in keinem Reiseführer und auf keiner Touristenkarte, denn sie liegen dort, wo man nur mit dem eigenen Boot hinkommt. Mehr oder weniger zufällig ankerten wir an diesem Nachmittag vor einer so steil abfallenden Felswand, dass wir sie mit dem Heck berührt hätten, bevor unser Ruder Grundkontakt gehabt hätte. Landleine gelegt und ab zum Klippenspringen, Harpunenfischen und Höhlentauchen. Völlig unverhofft entdeckten wir das vermutlich schönste Riff, an dem wir bisher in der Karibik getaucht waren. Unzählige Fische aller Größe und Farbe, Langusten, Korallen, Seeigel tummelten sich hier wie auf einem bunten Jahrmarkt. Und nicht nur das – am Ende der Bucht tauchten wir in eine Höhle, deren zweiter, kaum 1m breiter Ausgang plötzlich in einem schmalen 15m tief abfiel und den Unterwasserblick frei gab in gähnende blaue Leere, mystisch, unheimlich und unglaublich schön zugleich.
Tag 5: Besuch am Fluch der Karibik Filmset. Wer kennt sie nicht, die populären Piratenabenteuer mit Johnny Depp als Käpt’n Jack Sparrow? Wir durften uns selbst ein wenig wie Piraten fühlen, als wir in die Walliabou Bay einliefen, die Bucht, in der zahlreiche Szenen aus den Filmen gedreht wurden. Einige Pappmascheefassaden, Requisiten und Ausrüstung des Filmsets sind dort nach wie vor anzutreffen. Und natürlich ließen wir es uns nicht nehmen, an jenem Abend selbigen Film auf unserem Bootsbeamer zu schauen und bei jeder Szene, die wir gleichzeitig auf der Leinwand und aus dem daneben liegenden Fenster sahen, laut aufzujubeln.



Tag 6: Besichtigung der Dark View Falls: Die letzte geschützte Bucht im Norden St. Vincents liegt vor dem kleinen, einfachen Fischerdorf Chateaubelair, das zu beiden Seiten von steilen mit Palmen und Hanfplantagen bewachsenen Klippen eingerahmt wird. Dahinter erhebt sich das wilde, ursprüngliche Bergland im Innern St. Vincents. Tiefe, durch vulkanische Aktivitäten und Flüsse geformte Schluchten werden von nahezu senkrecht in die Höhe aufschießenden Felskämmen eingerahmt. Das gesamte Zentrum ist mit einem dichten, undurchdringlichen Regenwald bewachsen. Nur über die Flusstäler kommt man in der Trockenzeit ins Landesinnere. Einem dieser Schneisen folgten wir zu den Dark View Wasserfällen. Zwei zwanzig Meter hohe Sturzbäche ergießen sich inmitten einer unberührten Dschungellandschaft in zwei kleine Badestellen, die nur über Hängebrücken und in die Bergflanke geschlagene Treppen zu erreichen sind. Der Blick zurück ins wilde Tal, in dem die Vögel kreisen und haushohe, mit Lianen behangene Bäume sich an den Bergflanken im Schatten der Abendsonne abzeichnen, war einer der friedlichsten und erhabensten der ganzen Reise.


Tag 7: Besteigung des Vulkans La Soufrière: Frühmorgens machten wir uns auf zu einer der anspruchsvollsten und aufregendsten Expeditionen unserer Fahrt. Wir hatten vor den Gipfel des knapp 1000m hohen und überaus aktiven Vulkans, aus dem St. Vincent entstanden ist, zu besteigen. Unser „Weg“ führte uns durch mehrere hundert Meter breite, ausgetrocknete Flussbetten, die einen Eindruck von den Sturzfluten zur Hurrikansaison vermittelten, an einem menschenleeren Strand entlang, durch eine enge Schlucht von Vulkangestein eingefasste Schlucht und einen dicht bewachsenen Hang hinauf. Nach zwei Stunden erreichten wir schließlich den ersten Höhenrücken, auf dem wir dicht bewachsenen Trampelpfad über, unter und durch das Gestrüpp den Berg hinauf folgten. Plötzlich standen wir in einem Wald voll toter, weiß geblichener Baumstämme, Opfer der kürzlichen vulkanischen Aktivitäten. Der folgende Geröllhang gab den Blick frei auf eine unwirtliche, zerklüftete Landschaft, die hinab zur Küste immer grüner und lebendiger wurde. Eine beispiellose Lehrstunde in praktischem Terraforming. Wir kämpften uns weiter durch plötzlich einsetzenden Sintflutartigen Regen, Windböen mit 60km/h, Schutt und Schwefeldämpfe und standen plötzlich am Rand des Kraters. Der pfeifende Wind lies kaum ein Wort zu, doch zerfetzte er rasch die Wolkendecke, die durch den Kessel stieb und gab den Blick frei auf einen gigantischen Schlot, ein Kilometer im Durchmesser, aus dem an mehreren nabenartige Risse Schwefelschwaden aufstiegen. Es fehlte nur noch, dass zwei Hobbits an uns vorbeizogen, um einen Ring in die Feuer des Berges zu werfen.



Und mit diesem wunderbaren Kopfkino endet dieser Blogeintrag und wir laden euch ein zu ein wenig richtigem Kino in unseren St.Vincent-Videos:
Zurück im Trockendock: Wir ziehen in unser grenadisches Traumhaus
Da waren wir nun in Grenada Marina, wieder auf dem Trockenen. Es gab nicht viel, was wir für die reichlich lädierte Amadie im Moment tun konnten und so übergaben wir das Boot in die vertrauensvollen Hände von Isaac und seinem Mechaniker-Team, die eine Woche für die Reparaturen veranschlagten. Da auch einige Arbeiten unter Deck stattfinden mussten, konnte die Crew währenddessen nicht an Bord verbleiben. Unsere lobend zu erwähnende Versicherung Pantaenius hat zum Glück eine recht großzügige Unterkunftenregelung, so dass schnell ein passendes Ausweich-Airbnb für jene Woche gefunden war.


Wobei, Airbnb ist gutgesagt. Statt eines kleinen Studioappartments öffneten sich plötzlich die Pforten einer geräumigen Holzvilla, deren stilvolle Vorzüge kein Ende kannten: der moderne und gleichzeitig urige Holzlook, eine riesige Großraumküche mit ausladender Kücheninsel, zwei geschmackvoll eingerichtete Badezimmer, eine Terrasse mit Grill, Esstisch und Sitzecke, auf die die Amadie zwei Mal gepasst hätte, ein traumhafter Meerblick, ein blau schimmernder Pool, Fernsehecke, breite Betten, ein gepflegter Garten, ruhige Lage…kurzum, wir fühlten uns sau wohl. In der kommenden Woche verbrachten wir mehr als einen Tag einfach mit kochen, grillen, chillen und tigerten vom Pool über die breiten Terrassensofas bis zur Fernsehecke und den kuscheligen Doppelbetten. Ein Nebeneffekt vom Leben auf einem Segelboot ist, dass einfach mal Platz zu haben schon als unwahrscheinlicher Luxus wahrgenommen wird. Und diesen Luxus genossen wir in vollen Zügen.






Aber natürlich trieb unser Tatendrang und unsere Entdeckerfreude uns auch in diesen schönen Tagen hinaus zu neuen Abenteuern. Mehrere spannende Ausflüge erwarteten uns. Eine erste Dschungelwanderung führte uns zu einer kleinen Bauernkooperative, die in ihrem Gewürzgarten durch die zahllosen Anwendungsmöglichkeiten ihrer Heil- und Gartenkräuter führten. Mit einem der zahlreichen und günstigen Minibusse, die das Haupttransportmittel auf Grenada sind, ging es zur Nordspitze der Insel. Dort erwartete uns eine interessante Führung über die Kakaoplantage Belmont Estate. Ein sympathischer Grenader führte uns in den Prozess der Schokoladenproduktion vom Wachstum der Kakaoschote über Fermentierung und Trocknung der Bohnen bis zum Rösten und Mahlen des Kakaopulvers ein. Eine kleine Kostprobe des süßen Endprodukts und eines kakaohaltigen Nationalgetränks angereichert mit zahlreichen Gewürzen waren ebenso Bestandteil der Tour wie ein äußerst gesprächiger Papagei namens Rainbow. Auch die koloniale Vergangenheit der grenadischen Gewürz- und Kakaoplantagen wurde diskutiert. Weiter ging es zu einer Rumdistillerie zwischen kilometerlangen Zuckerrohrfeldern, die nur ein schmaler Palmenstreifen vom Meer trennte. Mitten im Regenwald gelegen und von einem Wasserrad betrieben wirkte diese kleine, von Blumen umrankte Fabrik wie aus einem anderen Jahrhundert. Wir ließen uns natürlich nicht nehmen das 75%ige Endprodukt zu erwerben und bisher hat auch noch niemand von uns sein Augenlicht eingebüßt. Höchstens einige Geschmacksnerven. Keine Reue.
Zwei Tage später folgte eine abenteuerliche Dschungelwanderung zu den Concord und Annandale Wasserfällen. Mehrere Kilometer und ähnlich viele Stunden kämpften wir uns auf einem kleinen Trampelpfad durchs Unterholz, bis wir völlig verschwitzt aber glücklich und beeindruckt von der Artenvielfalt des tiefgrünen Waldes, um uns herum den kleinen See am Fuß des Wasserfalls erreichten. Es folgten ein herrlich erfrischendes Bad und eine überstürzte Flucht zurück vor den penetranten Moskitoschwärmen, die an der Badestelle nur auf ahnungslose Wanderer gelauert hatten. Zwei weitere Ausflüge führten uns zu zwei menschenleeren Stränden in der Nähe unserer Villa. Neben saftig-süßen Mangos, beliebig vielen Kokosnüssen und einer verlassenen Strandbar fanden wir leider auch einigen Müll, der an den Strand gespült worden war und die Atmosphäre dieser sonst so paradiesischen Orte spürbar minderte. Obwohl Grenada nach wie vor ein sehr naturbelassenes Land ist, in dem sich die kleinen Häuser der Bewohner unaufdringlich entlang der wenigen Straßen in den Dschungel schmiegen, stießen wir während unserer Küstenwanderung auf mehrere wuchtige Bauprojekte, deren Betonfassaden im krassen Kontrast zu den einsamen Palmstränden standen.







Und nun genießt eine Lesepause und eine exklusive Haus- und Dschungeltour in unserem neuesten Video:

Viel zu schnell neigte sich die Woche in unserer Traumvilla dem Ende und wir kehrten zurück in die Grenada Marina. Dort erwarteten uns jedoch schlechte Nachrichten. Ruder und Salon waren zwar repariert, allerdings wurde nach Einbau des Ruders festgestellt, dass dessen Aufhängung sich gelockert hatte. Es half alles nichts, eine Fixierung des Ruderquadranten war alternativlos. Bis der Gutachter der Versicherung erneut vorbeigekommen und alle Schäden aufgenommen hatte, bis die Mechaniker der Werft alle das Problem verstanden und korrekt umgesetzt hatten, vergingen inklusive Wochenende weitere sieben Tage, bis die Amadie endlich wieder seetüchtig war. So schön die vorangegangene Woche in der Villa war, so anstrengend gestaltete sich die Woche in der mückenverseuchten, sonnenverbrannten Grenada Marina. Während unsere Gäste einige Ausflüge auf Grenada unternahmen, beschloss die Crew, die Gelegenheit im Trockendock für einige wertvolle Arbeiten an der Amadie durchzuführen. Neben einem Motorservice fürs Dinghi und einigen weiteren Klebeversuche des selbigen, war unser größtes Projekt diese Woche eine Politur des Rumpfes. Reinigungsmittel und Polierpaste waren schnell besorgt, ein Poliergerät geliehen und bald tummelten sich die fleißigen Amadiebienchen auf Gerüsten um die Flanken ihrer Yacht. Das matte Blau verwandelte sich alsbald in eine glänzende, strahlende Spiegelfläche, die Kratzer auf ein Minimum reduziert. Eine Behandlung, die die Amadie vermutlich noch nie zu vor erfahren hatte und die ihr sichtbar guttat.
Endlich war es so weit und am 21. Januar glitt die Amadie als beste Version ihrer selbst zurück ins warme nass. Die gefährliche Ausfahrt aus der Bucht Grenada Marinas wurde diesmal ohne Probleme gemeistert, die Vorratskammern in St. George’s gefüllt und die Reise fortgesetzt. Fortgesetzt…Für uns fühlte es sich eher an, als würde unsere Karibikreise gerade erst beginnen. Nach dem eher langweiligen Barbados und dem sofortigen Auflaufen aufs Riff vor Grenada hatten wir nun das erste Mal die Gelegenheit, die paradiesische Inselwelt der Karibik voll auszuschöpfen.





Grenadas Landmasse hatten wir zur Genüge erkundet, aber die See hielt noch einen spektakulären Unterwasserskulpturenpark nördlich von St. George’s für uns bereit. Die zerklüfteten Unterwasserlandschaft, gespickt mit Korallen, Fischen und Staturen verschlug uns zwei Tage den Atem – hauptsächlich, weil wir ihn die meiste Zeit beim Tauchen anhalten mussten, aber beeindruckend war es trotzdem. Die nächste Insel auf unserer Route war Carriacou, die größte Insel, die neben Grenada zum gleichnamigen Staat gehört. Die kleine Insel war schnell durchwandert. Vom höchsten Gipfel des kleinen Eilands bot sich ein weitläufiger Blick von Grenada im Süden bis Mayreau im Norden, Petit Martinique im Osten und Sandy Island im Westen. Dutzende von Inseln erstreckten sich vor uns wie auf einer Landkarte, die vorgelagerten Riffe scharf abgezeichnet im türkis schimmernden Wasser. Solch eine abwechslungsreiche Inselwelt hatten wir seit Kroatien nicht mehr gesehen, wahrlich ein absolutes Segelparadies. Die schmalen Waldwege schlängelten sich weiter durch einen dichten, aber nicht so sattgrünen Wald, wie auf Grenada. Die relativ kleine und flache Insel fängt deutlich weniger Wolken ab als ihr großer Nachbar und bietet so eher Kakteen als Lianen ein zu Hause. Auf der Nordseite Carriacous erreichten wir schließlich ein überwuchertes Schiffswrack, ein unschöner Blick in ein mögliches Schicksal der Amadie, hätten wir vor zwei Wochen ein wenig mehr Pech gehabt.








Ein besonderes Highlight Carriacous ist ein kleiner Sandstreifen namens Sandy Island. Die 20x200m lange Erhebung wird von zahlreichen Palmen gesäumt und hunderten Einsiedlerkrebsen bevölkert. Diese drolligen Gesellen in ihren Muschelhäusern tippelten bald neugierig über unsere Hängematten und Kekse, als wir es uns auf dieser einsamen Insel gemütlich machten. Ein bunte Fischwelt, riesige Pelikane, strahlend blauer Himmel und natürlich ein abendliches Lagerfeuer unter den Palmen rundeten diesen Tag zum perfekten Karibikerlebnis ab.



So bleibt uns nur noch unseren vorfreudigen Blick auf die Inselkette der Grenadinen, die sich über den gesamten Horizont erstreckt, zu richten und gönnen euch derweil den Blick auf unsere Abenteuer in unserem neuesten Videoblog:
Gestrandet im Paradies: Wir laufen auf Grund vor Grenada

Es war ein Abend, wie wir ihn schon dutzende Male zuvor auf der Amadie erlebt hatten. Wir waren seit etwas über 24 Stunden bei mäßigem bis guten Wind unterwegs gen Westen von Barbados nach Grenada. Alle waren etwas erschöpft von der vergangenen Nachtschicht, aber ansonsten guter Dinge, als die Nacht und unsere dunkelste Stunde hereinbrach. In der Abenddämmerung tauchten am Horizont ein paar vereinzelte Lichter an der Küste Grenadas auf. Unser Ziel war Grenada Marina, die südwestlichste Ankerbucht mit Hafen, die auf unserer Navionics-Seekarte markiert war. Kurz nach Mitternacht erreichten wir die betonnte Hafeneinfahrt und tauschten den Steuermann für das Anlegemanöver.
Es ist nicht ganz einfach, die folgenden Ereignisse zu rekonstruieren. Jedenfalls mischten sich Übermüdung und Unachtsamkeit mit schlechter Sicht im Dunkeln, kräftigem Seegang, falscher Entfernungsabschätzung, fehlerhaften Tiefenangaben auf der Seekarte und mangelnder Vorbereitung des Einfahrtskurses. Wieder mal zeigt sich, wie tödlich Routine sein kann, als plötzlich in sicher geglaubter Distanz zum Land der Tiefenanzeiger am Steuerstand schlagartig auf drei Meter, zwei Meter, einen halben Meter sprang. Aufstoppen des Motors und Einlegen des Rückwärtsgangs half nichts mehr. Der unausweichliche Schlag fuhr durch GFK, Holz, Mark und Knochen der gesamten Amadie und ihrer Crew. Doch wir waren nicht nur auf Grund gelaufen, wir hingen fest! Während wir hektisch versuchten, die Segel zu entrollen, um durch die entstehende Krängung unseren Tiefgang zu verringern und durch Motorsteuerung das Boot von den Felsen zu lösen, rollten unaufhaltsam die nächsten Wellen heran. Jede dieser 1,50 Meter hohen Brecher hob uns ein Stück vom Riff nach oben nur um uns dann mit der gnadenlosen Gewalt der Schwerkraft erneut auf den Stein schmettern zu lassen. Crew und Ausrüstung purzelte nur so durch Gegend. Wellen brachen über den Bug des schräg liegenden Schiffs und überspülten ganze Kabinen unter Decks durch die geöffneten Schoten. Schon wurden die ersten Rettungswesten und Notsignalraketen bereitgelegt, als nach einer gefühlten, alptraumhaften Ewigkeit der Schlag der folgenden Welle plötzlich ausblieb. Wir hatten uns gelöst, wir waren frei! Schnell wurden alle Bodenplatten im Salon rausgerissen und die Kielbolzen auf Wassereinbruch überprüft. Zwar zogen sich mehrere teils fingerbreite Risse um die Bolzen durchs GFK, aber wenigstens schien nirgends Wasser einzudringen – naja, außer aus Tilmans Bett, dessen Matratze durch eine Welle komplett geflutet worden war.
Fast vier Stunden fuhren wir nach diesem Schock in einem weiten, weiten Bogen unter Motor (den Wanten wollten wir keine weitere Belastung zumuten) um die Südspitze Grenadas herum, um nördlich St. Georges in einer breiten, flachen Bucht auf 10 Meter Wassertiefe zu ankern. Kaum ein Crewmitglied und auch Gast Rebecca fand in dieser Nacht mehr als eine Handvoll Stunden Schlaf. Kein Wunder bei dem Adrenalinpegel, der immer noch durch jeden einzelnen pumpte. Das wahre Ausmaß des Schadens wurde uns aber erst am nächsten Morgen bewusst, als die ersten Tauchgänge unter die Amadie unternommen wurden. Neben einigen auffälligen Kratzern am Kiel, hatte unser Ruder einen großen Teil des Aufpralls abbekommen. Die unteren 10 Zentimeter waren komplett zerfetzt, die Ruderaufhängung natürlich wieder komplett lose.

Nach einem bedrückten Frühstück motorten wir zur grenadischen Hauptstadt St. Georg’s, um zunächst einmal in das Land einzureisen. Das Internet im Hafen wurde genutzt, um unsere Versicherung und den Bootshersteller Beneteau zu kontaktieren. Glück im Unglück kamen wir ins Gespräch mit einigen anderen Seglern, die uns einen kompetenten Mechaniker Isaac empfohlen, der auch gleich spontan vorbeikam, um den Schaden zu begutachten. Hier erhielten wir unsere erste gute Nachricht: Der Ruderschaft war noch intakt, so dass es möglich sein sollte, das Ruder zu reparieren und nicht zu tauschen. Auf ein neues Ruder aus Frankreich hätten wir eher Monate als Wochen warten müssen. Während übers Wochenende die Reparaturen in der Marina und die Versicherungsunterlagen vorbereitet wurden, beschlossen wir, uns nicht die Laune an diesem paradiesischen Ort verderben zu lassen und erstmal Grenada zu erkunden.

Ein halber Blogeintrag und wir haben noch kein Wort über das Land verloren, das vor unserem Bug liegt. Green Grenada trägt seinen farbenfrohen Titel wohlverdient, denn die Insel ist ein einziges grünes Regenwaldparadies. Bis auf einige vereinzelte Holzhäuser, die die malerische Bucht und umliegenden Hänge der gerade mal 7.000 Einwohner zählenden Hauptstadt säumen, besteht die inaktive Vulkaninsel größtenteils aus dicht bewachsenen Bergen und Schluchten. Palmen und Mangobäumen reihen sich entlang der zahlreichen Sandstrände. Touristenhorden sucht man trotz der vereinzelten Kreuzfahrtschiffe vergeblich. Beim Blick auf Grenada fühlt man sich zeitgleich in Stevenson’s Schatzinsel und Disney’s Fluch der Karibik versetzt. Völlig unmöglich an so einem paradiesischen Ort schlechte Laune zu haben. Weggeblasen war die Enttäuschung über das dicht besiedelte Barbados. Grenada ist Bilderbuchkaribik in jeder Hinsicht.
Unser erster Ausflug führte uns durch St. Georg’s selbst. Die koloniale Vergangenheit dieses gemütlichen Küstenortes prägt bis heute das Stadtbild mit seinen Fortruinen und backsteinernen Handelshäusern. Die viel befahrene Küstenstraße schlängelt sich um zwei Buchten mit dem alten und neuen Stadthafen. Unscheinbare Regierungsgebäude und kleine Läden werden von wuchtigen Kirchen überschattet, deren Dächer seit dem großen Hurrikan Ivan, der 2004 90% der Häuser Grenadas zerstörte, bis heute ihrer Reparatur harren. Der zweite Spaziergang führte uns an den wunderschönen Sandstrand Grand Anse Beach südlich der Stadt. Ob man hier unter Palmen lesen, in einer Strandbar die grenadische Leibspeise gegrilltes Hühnchen mit Bier genießen oder einfach den Einheimischen beim Saltos schlagen am Strand zu schauen wollte, der Wohlfühlfaktor war bei jedem Crewmitglied gegeben. Unsere dritte Tour schließlich startete per Taxi in der Marina Port Louis von St. George’s, dem schönsten Yachthafen, in dem selbst unsere weit gereistesten Crewmitglieder je waren. Gewundene Straßen führten uns durch dichten Regenwald in die zentrale Hügelgegend der Insel und zum Grand Etang National Park. Zwei Wanderungen auf einen Berggipfel und zu einem abgeschiedenen Wasserfall mitten im Dschungel folgten. Die abwechslungsreiche Flora präsentierte eine Farbexplosion exotischer Blüten, Ranken, Flechten, Sträucher, Pilze und Bäume, an der wir uns kaum satt sehen konnten. Das erfrischende Bad im Wasserfall war ein willkommenes Highlight nach der schweißtreibenden Wanderung, die grüne Idylle höchstens durch ein paar Mücken gestört.










Während der Tage in St. George’s zog unweigerlich der Sylvesterabend an uns vorbei. Wie bereits Weihnachten feierten wir in intimer Runde mit einem leckeren Tapasessen und anschließender Bartour. Da es kein Feuerwerk in der Stadt gab und auch die letzte Karaokebar Corona-bedingt um Mitternacht ihre Pforten schloss, verlegten wir die Party kurzerhand auf die Amadie. Eine Packung Knaller, einige Flaschen karibischen Rums, Dinner for One und eine motivierte Crew reichten mehr als aus, um den Abend angemessen zu begießen.
Nach diesem abwechslungsreichen, touristischen Intermezzo in St. George’s holte uns leider der Ernst der Lage wieder ein. Wir motorten zurück an den Ort des Geschehens zur Grenada Marina. Bei Tageslicht waren die gefährlichen Riffe unter den brechenden Wellen gut erkennbar. Doch das war ein schwacher Trost, als die Amadie mit dem Lastenkran ins Trockendock gehievt wurde. Grenada Marina ist weniger eine Marina, und eher eine Freiluftwerkstatt und Bootslagerstätte für die Hurrikansaison. Hier wurde unser ramponiertes Heim zwischen etwa Hundert anderen Yachten geparkt und die Arbeiten konnten beginnen. Natürlich haben wir auch zu dieser schicksalhaften Episode wieder ein Video vorbereitet:

Eine lang ersehnte Ankunft: Wir setzen Fuß auf Barbados und die Karibik

Da waren wir nun endlich. Hinter uns 2100 Meilen endloser Ozean, 16 Tage Einsamkeit mit Wind und Wellen und vor uns die sanft gewellten Hügel und von Villen gesäumten Küsten Barbados. Wir hatten es geschafft! Wir haben den Atlantik überquert und sind auf einem neuen Kontinent, in einer neuen Welt, die selbst den weit gereistesten unter uns völlig fremd ist, angekommen.

Neptun, Poseidon und alle sonstigen Götter des Windes und der Meere schienen auf unseren Seiten gewesen zu sein. Wir konnten die unglaubliche Distanz von fast 4000km über den Atlantik geschlagene drei Tage schneller zurücklegen, als wir gehofft hatten. Die ganze Überquerung blies ein kräftiger Passatwind in unsere Genua - Grossegel und Gennaker wurden kaum gebraucht und selbst wenn wir sie entrollten, geschah dies eher aus Langeweile als aus Windmangel – der Motor war beinahe ausschließlich gebraucht worden, um alle paar Tage etwas Strom für unseren Wassermacher und den Beamer zu erzeugen und wir konnten uns entspannt zurücklehnen und die Barfussroute genießen. Nachdem sich die höheren Wellen der ersten Tage etwas gelegt hatten, waren kochen, Brettspiele spielen und sonstige Arbeiten an und unter Deck problemlos möglich und unser größtes Problem war die Langeweile und der Mangel an Bewegung. Gegen erstere konnte man sich immer kleiner und größere Tagesaufgaben suchen (Schuhe putzen, Hosen nähen, backen, eine Holztür schleifen und ölen usw), die sonstige Routine aus essen, kochen, schlafen, Nachtschichten, lesen, Serien schauen,… durchbrach und die drohende Lethargie vertrieb. Gegen den Mangel an Bewegung gab es auf einem wackelnden Untersatz mit kaum 2m² Freifläche allerdings kaum ein unterhaltsames und nachhaltiges Mittel, so dass wir alle erleichtert seufzten, als wir im großen Industriehafen von Bridgetown, Barbados Hauptstadt, von Bord klettern und 50 Meter einfach nur geradeaus gehen konnten. Hier ein ausführlicher visueller Eindruck dieser Grenzerfahrung:
Nachdem die üblichen Einreiseformalitäten aus Coronatest, Pass- und Bootspapierkontrolle mit dem freundlichen Hafenpersonal geklärt waren, ankerten wir in der ausladenden Carlisle Bay auf der Südseite Bridgetowns zwischen einem guten Dutzend skandinavischer Atlantikreisender. Gerade als wir auf unsere Zielposition manövriert hatten, griff beim Aufstoppen die Kupplung nicht mehr. Wir konnten weder vorwärts noch rückwärts Schub geben! Blitzschnell wurde an Ort und Stelle der Anker ausgeworfen. Ersatzanker und eine Halteleine an ein Unterwassergewicht folgten. Glück im Unglück lagen wir stabil und mit ausreichend Sicherheitsabstand zwischen den umliegenden Schiffen. Trotz dieses Schocks hielt es an diesem ersten Abend niemanden mehr an Bord der Amadie und wir spazierten am Strand entlang, bis wir auf ein bunt bemaltes Restaurant trafen und kräftig auf die gelungene Überfahrt anstießen.


Die vergangenen zweieinhalb Wochen hatten offensichtlich unserem Material und vor allem unseren Vorräten zugesetzt, so dass wir zunächst einige Arbeitstage einlegen mussten, bevor wir voll ins karibische Abenteuer eintauchen konnten. Der Einkauf in Bridgetown war zwar schnell aber mit einem unguten Gefühlt erledigt, lagen die Preise hier doch etwas drei Mal so hoch wie in Deutschland. Glücklicherweise sind unsere Speisekammern nach wie vor aus Spanien gut gefüllt, so dass wir uns nicht allzu sehr in Unkosten stürzen mussten. Den Fehler am Motor zu finden erwies sich als komplizierter. Tilman und Philipp bauten über zwei Tage Getriebe und Kupplung Zahnrad für Zahnrad auseinander, bis das entsprechende Verschleißteil identifiziert werden konnte. Die zur Wartung notwendige Läpppaste zu organisieren dauerte beinahe einen weiteren kompletten Tag, auch wenn im Rahmen jener Odyssee einige der weniger sehenswerten Viertel Bridgetowns erkundet werden konnten. Auch die Reparatur unserer gerissenen Dingihülle ging eher schlecht als recht voran. Tatsächlich sollten sich unsere Flickversuche selbiger über mehrere Wochen und ein gutes Dutzend Klebetechniken hinziehen, ohne dem Problem Herr zu werden. Zu allem Überfluss leckte auch noch die Welle nach schlussendlichem Zusammenbau des Motors. Die alte Lady schien entschlossen, uns nicht mit einem so oberflächlichen Nebenbuhler wie Barbados teilen zu wollen.
Aber davon ließen wir uns nicht aufhalten und fieberten gespannt Weihnachten und unserem ersten karibischen Gast, Rebecca, entgegen. Die Zeit bis zum heiligen Abend verging wie im Fluge. Spazierend und joggend wurden Bridgetown und Umland erkundet. Kleines Highlight war ein Ausflug von Jan, Hendrik und Silas zum Bridgetowner Golfclub, wo ein äußerst unterhaltsamer Nachmittag mit dem Brettspieleverein Barbados verbracht wurde. Außerhalb des überfüllten, kommerziellen und viel befahrenen Kerns der Stadt reihen sich kilometerweise kleine, bunt bemalte Holzhäuser mit Veranda aneinander. Dies mag zwar optisch ansprechend anmuten, wird von den Bridgetownern selbst aber als Slum der Stadt bezeichnet. Neben einer hübschen Hafeneinfahrt gibt es in der Innenstadt kaum Grünflächen. Das bebaute Areal erstreckt sich über den gesamten Südteil der kleinen Insel. Lediglich im Osten und Norden gibt es größere agrarwirtschaftlich genutzte Flächen, auf denen unter anderem Pferdezucht betrieben wird. Der koloniale, britannische Einfluss ist allgegenwärtig. Nicht nur ist die Landessprache englisch, alle Straßen mit „Trafalgar Square“ oder „Lord Nelson Street“ betitelt, der Volkssport ist auch noch Cricket und Pferderennen. Diese Gegenden sind mit ihren ausladenden Gutshäusern und weiten, Palmen gesäumten Koppeln weitaus idyllischer als der Großraum Bridgetown, aber auch hier ist kaum ursprünglicher Wald erhalten.






Deutlich empfehlenswerter ist tatsächlich die Bucht vor Bridgetown. Während Weihnachten näher rückte, nutzte Jan die Zeit, hier seinen Tauchschein nachzuholen. Auch der Rest der Crew ließ sich nicht zweimal zum Unterwasserabenteuer bitten und so konnten wir tagelang die mit Korallen überzogenen und von Fischschwärmen aus allen Nähten platzenden Wracks in der Carlisle Bay bestaunen. In allen Farben bunt schillernd, in grotesken Formen vom Mikadostick bis zum Knautschball präsentierten sich die exotischsten Wrackbewohner. Schildkröten, Flundern, Doktorfische, Muränen, Feuerfische und Dutzende Fischarten, die wir noch nicht einmal in einer National Geography Doku gesehen hatten, luden uns hier friedfertig in ihr Reich ein. An einem Wrack tummelten sich mehr unterschiedliche Fischsorten, als wir in den gesamten vier Monaten im Mittelmeer zusammen gesehen hatten. Und während man beim Schnorcheln quasi durch eine Scheibe in ein Aquarium blickt, befindet man sich beim Tauchen mitten darin, unbehelligt und unbeachtet durch dessen Bewohner. Eine Lebenserfahrung, die kaum mit etwas anderem zu vergleichen ist.
Der Besuch eines peppigen Weihnachtskonzerts voll Rap, Operngesang, Tanz und Musicaleinlagen brachte uns zwei Tage vor dem Fest so richtig in Stimmung. Schnell wurden noch letzte Weihnachtsgeschenke und die Zutaten für ein exquisites Gulasch mit selbstgemachten Serviettenknödeln, Rotkraut und einem Joghurt-Fruchtdessert besorgt. Jan sammelte auf seinem Rückweg vom Tauchschein ein letztes Geschenkepaket ein, das der Weihnachtsmann den weiten weg aus Deutschland bis in die Karibik gebracht hatte, der Plastiktannenbaum aus Kap Verde wurde unter Deck errichtet, die Adventskranzkerzen entzündet, Weihnachtsmusik aufgelegt, Geschenke bereitgelegt, angestoßen, geschmaust, gelacht…es war Zeit für die Bescherung. Natürlich war das Weihnachtsfest nicht dasselbe, wie in der Heimat, für manch einen sogar das erste fern von ihr. Jeder telefonierte am heiligen Abend eine ganze Weile mit seiner Familie, die meist mehr als weniger vermisst wurde. Aber dennoch hatten wir einen besinnlichen Abend unter guten Freunden mit schönen Geschenken -von einer Machete (Tilman) bis zu einer Kochschürze (Jan) war alles dabei – leckerem Essen und guter Stimmung. Alsbald wanden sich unsere Gedanken wieder dem Segeln zu.

Rebecca traf am 1. Weihnachtsfeiertag ein, schwer beladen mit Geschenken für die Amadie (nein, nicht für ihre Crew, die Amadie selbst – manche Ersatzteile lassen sich eben fast nur aus Europa mitbringen). Eine leichte Brise trug uns die Westküste der Insel entlang gen Norden, bis wir an einem einsamen von Palmen und giftigen Manchinelbäumen gesäumten Strand anlangten. Vielleicht lag es an den steilen, dicht bewachsenen Hängen, vielleicht an dem gigantischen Zementwerk, das direkt neben dem Strand dröhnte, jedenfalls störte kaum ein anderer Besucher die karibische Idylle dieses abgeschiedenen Ortes. Hängematten wurden entrollt, Kokosnüsse geknackt, Bücher aufgeschlagen und Schnorchel aufgesetzt. Zwei Tage ließen wir wortwörtlich die Beine baumeln und genossen nach dem ganzen Weihnachts- und Reparaturstress einfach mal das Nichtstun. Auch wenn alles, was wir euch präsentieren, vielfach wie Urlaub aussieht, ist das Leben an Bord der Amadie auch oft sehr viel Arbeit und längere Ruhephasen äußerst selten.



Mittlerweile waren wir über zwei Wochen auf Barbados und niemand war sonderlich traurig, als unser letzter Termin auf dieser Insel näher rückte: Unsere Corona-Boosterimpfung. Diese wurde von dem zuständigen Krankenhaus unkompliziert, professionell und kostenfrei erledigt, wie auch die gesamten Corona-Schutzmaßnahmen des Landes auf uns sinnvoll, angemessen und disziplinierter wirkten als in Deutschland – sofern wir das aus der Ferne beurteilen können. Es folgten PCR-Test, ausdeklarieren und Segelsetzen in den späten Abendstunden mit Kurs auf Grenada. Die Wahl dieses Abfahrtzeitpunkts sollte uns zu einem folgenschweren Verhängnis werden. Doch davon später mehr. Nun genießt erstmal die ersten karibischen Eindrücke in unserem Barbados-Video:
Die schönsten Ecken der Kap Verden: Ein Besuch in Mindelo und Santo Antao


Zwei Stationen lagen noch vor uns auf dem Weg zu unserer großen Überfahrt. Zwei Inseln, die aus ganz unterschiedlichen Gründen in keinem Kap Verde Rundtrip fehlen sollten. Unser erstes Abenteuer in dieser Geschichte führte uns auf die Südseite von São Vicente in die Bucht São Pedro. Wieder suchten wir vergeblich die grün blühenden Landschaften aus den Touristenfotos über das Kap, aber ein kleiner Landausflug bot dennoch eine gute Alternative: Vom gleichnamigen Fischerdorf der Bucht aus wanderten wir eine Stunden am Strand und über einen in die steile Bergflanke getriebenen, schmalen Pfad zum weiß getünchten Leuchtturm an der Südwestspitze der Insel. Der freundliche und recht einsame Leuchtturmwärter ließ uns sogleich eintreten und seinen Arbeitsplatz von Innen und Außen inspizieren. Interessant, eine der großen, rotierenden Lampen, an denen wir uns schon so oft des nachts orientiert hatten auf unserer Reise mal aus nächster Nähe betrachten zu können, Panoramablick über die Bucht inklusive.


Zurück auf der Amadie beobachteten wir einige kleine einheimische Holzboote, die einige Ladungen Touristen ein paar hundert Meter in die Bucht hinausfuhren und dann dort zum Schnorcheln und Tauchen entließen. Offensichtlich gab es hier spannendes zu besichtigen und praktischerweise hatten wir unser eigenes schwimmendes Gefährt dabei. Mit Tauchbrillen ausgerüstet schwommen wir rasch zu der fraglichen Stelle und trafen auf ein unerwartetes Begrüßungskomitee. Eine Handvoll ein Meter langer Riesenschildkröten schwebte gravitätisch durchs Wasser. Die majestätischen Tiere waren an Fütterung durch Menschen gewöhnt und kamen mit ruhigen Flossenschlägen bis auf Armeslänge herangeglitten. Jedes Mal wurde uns ein intelligenter, fragender Blick zugeworfen und, als wir keine Nahrung anbieten konnten, vorwurfsvoll wieder abgedreht und sich im blauen Nebel in Dunst aufgelöst. Einfach magisch.
Doch der Hauptgrund, warum wir das ebenso karge São Vicente angelaufen hatten, waren nicht ein Schwimmausflug mit seinen gepanzerten Bewohner, sondern der obligatorische Besuch in der einzigen richtigen Marina der Kap Verden, dem Hafen von Mindelo. Praktischerweise liegt dieser gleich vor der vermeintlich schönsten Stadt der Kap Verden. Und tatsächlich unterhielt uns der Küstenort mit seinen bunt bemalten Steinhäusern, dem regen, musikalischen Nachtleben, seinen chaotischen Markthallen und Kleinwarenhändlern sechs Tage bestens. Sechs Tage, in denen wir den letzten Schliff an der Amadie vor der Atlantiküberquerung anlegten: Zwei Strahler wurden am Mast befestigt, um nachts sicher auf dem Deck arbeiten zu können, mehrere undichte Stellen mit Silikon abgedichtet, Lampen ersetzt, Sicherungsketten für Dinghi und Motor besorgt, Wasser- und Dieseltanks befüllt, frisches Obst und Gemüse eingelagert, ein Ölwechsel am Motor durchgeführt und das Rigg von einem örtlichen Experten auf seine Tauglichkeit geprüft. Bis auf die Einkäufe, die sich mangels eines gut sortierten Baumarktes oder Autohauses zu einem zähen, stundenlangen Abklappern immer neuer und doch immer gleicher Gemischt- und Metallwarenläden hinzogen, erledigten wir alle Arbeiten effizient und reibungslos – zumindest nachdem wir in der ersten Nacht sämtliche Bars Mindelos mit Sharanya einer ausführlichen Kostprobe unterzogen und den anschließenden Tag ausführlich durchgekatert hatten.


Als kleinen Bonus konnten wir an diesem Tag noch das Auslaufen der 72 Schiffe der ARC+ beobachten. In dieser organisierten Atlantiküberquerung versammeln sich jedes Jahr über hundert Schiffe, um gemeinsam die Überfahrt von Europa in die Karibik anzutreten. Neben ausführlichen Informationen über alle Reiseformalitäten und organisierten Events in allen Häfen, bringt dies einen gewissen Sicherheitsaspekt mit sich, versorgt einen die ARC doch mit allerlei Notrufnummern, Wetterdaten und ärztlicher Unterstützung. Gestartet werden kann von den Kanaren (ARC) oder den Kap Verden (ARC+). Ein interessantes Event, bei einer Teilnahmegebühr von rund 10.000€ für uns aber keine diskutable Option.





Nachdem auch das skeptischste Crewmitglied zufrieden war mit dem Stand unserer Vorbereitungen, blieb uns noch ein letzter Bonus, bevor wir die Kap Verden endgültig verlassen und ins ewige Blau der Atlantikwüste aufbrechen sollten: Ein Besuch des Wanderparadies Santo Antão. Einen Katzensprung später lagen wir vor der Bucht von Porto Novo und hatten uns rasch einen Fahrer organisiert, der uns von dort in den Nordosten der Insel bringen würde (an ein Ankern war dort wegen der einströmenden Wellenberge nicht zu denken). Vom nördlichsten Punkt der Insel und gefühltem Ende der Welt, dem Ponta do Sol, wanderten wir entlang eines äußerst schweißtreibenden, aber auch äußerst spektakulären Küstenpfads ins kleine Fischerdorf Cruzinha. Der steile Weg durch die Schluchten und Bergkämme (1.400hm auf 14km) führte uns durch bunt bemalte Bergdörfer und verlassene Steinruinen. Jedes steil abfallende Flussbett, das sich seine Schneise durch die zerklüftete Vulkanlandschaft zog, war über und über mit Zuckerrohr und Palmen bewachsen, kultiviert von den örtlichen Bauern. Hühner und Ziegen säumten den Weg ebenso, wie dutzende krakelender Vogelschwärme in allen Formen und Farben. Unser Blick schweifte von den Bergkuppen regelmäßig gen Westen, wo sich die tiefblaue Ebene des Atlantiks tausende Kilometer fortsetzte und wir erklärten uns jedes Mal verrückt in dieses scheinbar endlose Nichts mit unserer kleinen Amadie hinaussegeln zu wollen. Der Weg selbst war meisterhaft gepflastert, die angrenzenden Mauern ohne Mörtel kilometerlang nahezu fugenlos und stabil geschichtet. Wie wir später erfahren sollten, stammten viele der mit unfassbarem manuellem Arbeitsaufwand gepflasterten Straßen und Wege über die Insel noch aus der portugiesischen Kolonial- und Sklavenhalterzeit.





Schließlich erreichten wir müde aber glücklich in den frühen Abendstunden unseren Zielort Cruzinha. Ein saarländischer Leser unserer Zeitungsreportage hatte uns hier freundlicherweise einen Kontakt vermittelt. Sogleich wurden wir herzlich von einem französischen Ehepaar in der „Casinha Daniel“ empfangen und mit einer Schlafstätte, allerlei Informationen über die Insel und einem fantastischen Ausblick vom Balkon über die schäumende Atlantikküste versorgt. Zum Abendessen ging es in ein kleines, aber köstliches örtliches Restaurant, wo uns Fisch, Hühnchen, Oktopus, Yams, Kartoffeln, allerlei Gemüse, Papayamarmelade und Pudding serviert wurde.






Dank Daniels Ortskenntnis war es ein leichtes, einen Fahrer für den nächsten Tag zu organisieren und unsere zweite Wanderung zu planen. Auf der mit Bänken bestückten Ladefläche eines Pick-up-Trucks fuhren wir zwei Stunden über verschlungene Bergstraßen zu einem Vulkankrater, wanderten von dort hinab zur Küste und fuhren wieder zurück nach Cruzinha. Überall ließen sich Spuren aus den Zeiten der portugiesischen Entdeckungsreisen finden. Bergpfade, aufgegebene Terrassenplantagen in den Felshängen, verfallene Steinhütten – sogar die Felder in dem Vulkankrater waren in der Mitte durch eine scharfe Linie getrennt. Hier hatten die ersten zwei portugiesischen Besatzer ihre Grenze zur Aufteilung der Insel gezogen. Die Bergkämme um den Krater waren dich mit dunkelgrünen, moosbehangenen Nadelwäldern bedeckt, ein klares Indiz, dass hier wohl die meiste Zeit Nebelwolken hingen. Doch an diesem strahlend blauen Tag versperrte nichts den Blick auf die sattgrüne Schlucht Paúl, durch die unser Weg zur Küste führte. Zuckerrohrplantagen und schwer behangene Papayabäume reihten sich hier an Bananenstauden und mächtige Affenbrotbäume. Endlich hatten wir unsere tropischen Landschaften auf den Kap Verden gefunden und waren rasch mehr als versöhnt, ob des vegetativen Reichtums dieser letzten Insel.







Bei der Rückkehr zur Amadie erwartete uns jedoch eine böse Überraschung: Eine der Nähte unseres Dinghis hatte sich geöffnet (in der heißen Sonne oder durch Außeneinwirkung wissen wir nicht) und zumindest der trockene Weg zurück zum Schiff war erstmal versperrt. Doch die pragmatischen und findigen Bewohner dieses Außenpostens der Menschheit wissen sich stets zu helfen und schnell hatte sich eine kleine, hilfsbereite Menschentraube um uns gebildet. Nicht nur das Dinghi wurde rasch geflickt, ein geschäftstüchtiger Kap Verdianer schmolz uns auch gleich noch zwei Bleigewichte zum Tauchen ein. Ein letzter Gemüseeinkauf folgte und so setzten wir bestens gerüstet und gelaunt am Nachmittag des 27. November um 15:50 Uhr Ortszeit die Segel in Richtung Karibik. Zwei Stunden später waren die letzten Wolkenfetzen, die sich einer Schneedecke gleich an die Gipfel Santo Antãos schmiegten, in der Nacht verschwunden und uns herum gab es nichts mehr, als die endlose weite des Ozeans.

Die letzten Schritte unserer Vorbereitung und die spektakulärsten (Drohnen-)aufnahmen von Santo Antão haben wir für euch in diesem Video zusammengefasst:
Auf der Schwelle zu einer neuen Welt: Wir erreichen das Kap Verdische Archipel


Ein Seufzer der Erleichterung ging durch die Reihen der fünfköpfigen Besatzung, als sich nach sechs Tagen und 800 Seemeilen (immerhin 40% der Distanz, die uns über den Atlantik erwarten sollte), blau schimmernd die Kontur von Sal, der nördlichsten Kap Verdischen Insel am Horizont abzeichnete. Die flache, lang gestreckte Wüsteninsel verhieß endlich ein Ende der drei Meter hohen Wellen, die uns seit Tagen auf und unter Deck hin- und herwarfen und unser Aktivitätenspektrum auf Bücher, Computerspiele und Netflix-Serien beschränkten. Doch bevor wir im Touristenort Santa Maria, mit seinen weißen Sandstränden, Windsurfern und Robinson Club-Ressorts anlegen konnten, galt es zunächst auf der Westseite Sals im kleinen Verwaltungsstädtchen Palmeira einzuklarieren.
Während wir in der Bucht vor Palmeira auf die Ankunft einer Ärztin zur Abnahme unseres Coronatests warteten, versorgten uns augenblicklich einige geschäftstüchtige Einheimische mit Informationen, der Landesflagge, Gas, Müllentsorgung und vermutlich auch einer Meerjungfrau, falls wir danach verlangt hätten. Der Coronatest am nächsten Morgen entpuppte sich als eine durchaus überwindbare Barriere, bestand dieser doch nur aus einer Temperaturmessung am Handgelenk. Nach einer Dinghifahrt durchs kalte Hafenbecken ergaben Messwerte um die 34°C die sichere Prognose, dass wir zwar vermutlich alle tot waren, zumindest aber kein Corona hatten. Auch die sonstigen Passformalitäten waren schnell abgehandelt und wir könnten in einem kurzen Spaziergang ersten Kontakt mit der Kap Verdischen Kultur und Architektur sammeln. Der kleine Fischerort mit seinen einfachen Steinhäusern, portugiesischer Architektur und kleinen Straßenbuden sprach uns deutlich mehr an als das von Club-Touristen überlaufene Santa Maria. Während die Amadie den Rückweg zur Südspitze der Insel antrat, joggte der unter Bewegungsentzug leidende Jan die 24 km zurück über die Insel nach Santa Maria. Im Kontrast zu seinen paradiesischen Stränden erinnert das Innere Sals an eine ausgetrocknete Marslandschaft, deren rote Felsflächen nur gelegentlich von windschiefen, knorrigen Baumstümpfen und Salinenfeldern unterbrochen wird. Der Strandtourismus scheint wirklich das Einzige zu sein, was diese Insel am Leben hält.




Da sich die Crew leider im Versuch, in Philipps 30. Geburtstag reinzufeiern, selbst ausgeknockt hatte, blieb es am nächsten Morgen bei einer kurzen Einkaufstour durch Santa Maria, bevor wir Kurs auf Boa Vista nahmen. Drei Tage und Nächte verbrachten wir in den ruhigen Badebuchten vor Sal Rei und der Südspitze der Insel. Ausreichend Zeit für einige Schnorchelausflüge, die unter anderem zu unserer ersten Haisichtung führten (keine Sorge, nur ein ganz kleiner), sowie zwei ausgedehnte Wanderungen auf Boa Vista selbst. Wenigstens an manchen Stellen ließen sich hier grüne Flecken finden, wobei die zahlreichen Stümpfe toter Palmen und Steinruinen aufgegebener Dörfer Zeugnis für das zunehmende Ausdörren auch dieser Insel ablegten. Nichtsdestotrotz genossen wir die abwechslungsreiche Landschaft aus Sanddünen, verlassenen Sandstränden mit rostigen Schiffswracks, kleinen Oasen voller Riesenspinnen, die Heuschrecken und sogar Vögel in ihren Netzen fingen, wilder Esel- und Pferdeherden, roter Felsenwüsten und einfacher Steinhütten. Die intensiv in allen Rottönen strahlenden Sonnenuntergänge an den weißen Stränden suchten ihresgleichen.












Unsere Kap Verden-Rundfahrt führte uns weiter Richtung Santiago, der größten Insel des Archipels und Heimat der Hauptstadt Praia. Die nordöstlichen Passatwinde trieben uns weiterhin gut voran und so erreichten wir in der Abenddämmerung bereits das Zwischenetappenziel, die kleine, unspektakuläre Insel Meio, als plötzlich zwei Dinge passierten. Zunächst schlug die Bremse unserer Angel an und nach einem 15-minütigen Kampf hatten wir unseren zweiten großen Fang, einen 65cm langen, prachtvollen Bonito an Bord gehievt und zu zerlegen begonnen. Als gerade die ersten Stücke in die Pfanne gewandert waren und alle sich auf ein köstliches Abendessen freuten, schrie Silas plötzlich von Deck: „Das Dinghi ist weg!“. Sofort wurde alles stehen und liegen gelassen (und später vom Boden wieder aufgesammelt, wie es die Natur ungesicherter Ladung an Bord einer Segelyacht ist). Wir holten die Segel ein, schmissen den Motor an und fuhren unter voller Kraft unsere Route seit der letzten Halse, bei dem das Dinghi nicht ordentlich vertäut worden sein musste, zurück. Wir hatten nur noch etwa 15 Minuten Tageslicht und allen war klar, dass die Chance ein unbeleuchtetes, zwei Meter langes Schlauchboot im Dunkeln mit Versatz durch Wind und Drift wiederzufinden, gen null tendierten. Doch die Suche blieb erfolglos. Bei unserer zweiten Abfahrt der Strecke standen bereits alle mit Taschenlampe an Deck und suchten fieberhaft im Mondschein. Wieder nichts. Die Sichtweite betrug keine 50 Meter in beide Richtungen. Die Hälfte der Crew wollte schon aufgeben, als wir uns nach Neuberechnung der Driftvektoren noch zu einer dritten Kontrollfahrt entschlossen. Und tatsächlich, nach über zwei Stunden ergebnisloser Suche reflektierte Tilmans Laserpointer plötzlich etwas in der Dunkelheit in einigen hundert Meter Entfernung. Wir hatten unser Dinghi gefunden! Die Aufnahme und Sicherung war eine Kleinigkeit, aber das Ereignis dennoch eine gute Lehre, wie hochgradig riskant es ist, bei Nacht ein Crewmitglied über Bord zu verlieren.

An eine Weiterfahrt in der gleichen Nacht war nicht mehr zu denken. Wir genossen den verdienten Thunfisch und ankerten vor Meio. Ohne weitere Abenteuer liefen wir am nächsten Vormittag in die grünlich trübe Bucht vor Praia ein. Die größte Stadt und Hauptstadt der Kap Verden beeindruckte auf den ersten Blick nicht sonderlich von außen. Bis auf ein vorzeigbares Regierungsviertel und zwei, drei schöne Strandbars wirkten die meisten Stadtviertel sehr ärmlich. Mehrere Warnungen vor nächtlichen Überfällen, ließen uns auch das gerühmte musikalische und tänzerische Nachtleben der Stadt überspringen. Wir hatten andere Pläne, denn einige Meilen weiter wartete die UNESCO-Weltkulturerbestätte und erste Kolonialsiedlung der Kap Verden, Cidade Velha („alte Stadt“) auf uns. Rasch nahmen wir noch unseren nächsten Gast, Sharanya, eine Freundin Jans aus seiner Zeit in Mali, an Bord und segelten zu dem kleinen Küstenort.



Cidade Velha liegt am Ende eines Canyons, seine knapp hundert Häuser verteilt über die Flanken der zwei umschließenden Berghänge. Obwohl das Flussbett die meiste Zeit ausgetrocknet ist, war diese Schlucht der grünste Ort, den wir bisher auf den Kap Verden gesehen hatten. Palmen, Bananenstauden, Zuckerrohrplantagen und allerlei Buschwerk säumen Strand, Canyon und Ort und geben eine offensichtliche Erklärung, warum die portugiesischen Kolonialisten sich hier angesiedelt hatten. Die teilweise sehr gut erhaltenen Ruinen einer Kirche, eines Klosters, einer Kathedrale und eines Forts, das hoch über dem Dorf thront, geben Zeugnis dieser Vergangenheit aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Als Umschlagplatz für den Dreieckshandel hatte Cidade Velha eine wichtige strategische und ökonomische Position inne. Teilweise verbrachten die zukünftigen Sklaven mehrere Monate auf Santiago zur handwerklichen und sprachlichen Ausbildung.




Nachdem wir Kultur und Geschichte an diesem Tag ausreichend Platz eingeräumt hatten, wurde es Zeit für einige leckere Fruchtsäfte, eine Gemüse-Fische-Quiche und einen gemütlichen Spieleabend an Bord der Amadie. Schließlich stand uns am folgenden Tag wieder ein weiterer Schlag bevor: 150 Seemeilen nach São Vicente und Mindelo, dem letzten Hafen vor der Atlantiküberfahrt. Und für euch, liebe Leser, steht nun ein Blick in unser neuestes Video bevor:
Die erste Atlantikerfahrung: Inselhopping auf den Kanaren
Eine endlose blaue Wüste, zwei Meter hohe Dünen, deren Kronen sich im kräftigen Nordwind zerstäuben und wie ein feiner Nebel über alles legen, endlose Stille bis auf das monotone und doch nie gleiche Schlagen der Wellen. Wir waren endlich mitten im Atlantik angekommen. Marokko hatte seine Häfen für uns geschlossen und so blieb uns keine Wahl, als von Tarifa auf direktem Kurs auf die letzte europäische Enklave, die Inselgruppe der Kanaren, zu nehmen. Knapp 600 Seemeilen südlich von Gibraltar und 100 Meilen westlich der Westsahara ist dieser spanische Außenposten ein beliebtes Reiseziel für sonnensuchende Europäer in den Wintermonaten. Und für uns ein willkommener Boxenstopp auf der Stracke zu den Kap Verden. Danke des konstanten und kräftigen Passatwindes legte die Amadie die knapp 1100km in nur viereinhalb Tagen zurück, ein neuer Langstreckengeschwindigkeitsrekord – und das fast ausschließlich mit der Genua und nur drei Mann Besatzung (Jan befand sich noch auf seinem dreiwöchigen Heimaturlaub). Der einzige Aufreger war ein gewagter Fluchtversuch unseres Dinghis, dessen Schlepptau mitten in der Nacht riss. Glücklicherweise wurde dies sofort von der Wache bemerkt, die Alarm schlug und eine Wende einleitete. Nach drei Minuten Suche in der Finsternis wurde das Dinghi wieder erspäht. Mitten in der Nacht bei drei Meter hohen Wellen ein neues Schlepptau zu befestigen, war dennoch ein Alptraum, den wir garantiert nicht mit einer über Bord gegangenen Person wiederholen möchten. Bei Ankunft auf der kleinen Wüsteninsel La Graciosa war schließlich erstmal einen Ruhetag nötig, an dem die Crew einigen Schlaf aus den strapaziösen Nachtschichten der Überfahrt nachzuholen hatte.







Die karge, wüste Landschaft dieses Sandplaneten mit seinem azurblauen Wasser und weißen Stränden lud auch zum Verweilen ein, so dass wir die nächsten vier Tage damit verbrachten zu Fuß, auf dem Fahrrad und mit Schwimmflossen die beeindruckende Vulkanlandschaft von La Graciosa zu erkunden. Erstmals hatten wir das Gefühl, Europa wirklich verlassen zu haben und auf einer wahrhaften WELTumsegelung zu sein. Die folgende Überfahrt nach Arrecife auf Lanzarote war nach den bisherigen Erfahrungen kaum mehr als ein sechs stündiger Katzensprung. Während Bootszimmermann Tilman weiter an der Fixierung unseres Ruders arbeitete, das uns nach wie vor ob seines Bewegungsspielraums Kopfzerbrechen bereitete, nahm der Rest der Crew Silas in Arrecife in Empfang. Wir freuten uns alle, dass dieser langjährige Pfadfinderfreund und Mitbewohner Tilmans aus Saarbrücken, für die nächsten drei Monate mit Rat, Tat und dummen Sprüchen unsere Crew bereichert. Die Überfahrt und Ankunft könnt ihr in diesem ersten Video bestaunen:
Der nach wie vor kräftige Nordwind trug uns weiter zügig gen Süden. Unterbrochen durch einige Bier- und Badepausen passierten wir die Südspitze von Lanzarote, Fuerteventura und erreichten schließlich mehrere abgelegene Buchten auf Gran Canaria. Trotz der vermeintlichen Abgeschiedenheit trafen wir hier in jeder Bucht auf eine Handvoll bis mehrere Dutzende anderer Segelyachten. Viele von ihnen waren ebenfalls Langfahrer (leicht erkennbar an den außen installierten Solarpanelen und Windgeneratoren), die sich auf ihre eigene Ozeanüberquerung vorbereiteten. Ein kleiner Landausflug zu den Dünen von Maspalomas rundete den Besuch dieser Insel ab.
Eine Tagesfahrt später erreichten wir die schöne Bucht von Los Christianos auf Teneriffa. Von den nordöstlichen Winden abgeschirmt, bot sich uns hier eine entspannte, einwöchige Zuflucht mit Panoramablick auf den 3.715m hohen Teide, den höchsten Berg Spaniens und Herzstück der Insel. Hier hatten wir endlich Zeit, um ein lange besprochenes Projekt in die Tat umzusetzen: Unseren Tauchschein. Drei Tage wurden Tilman, Hendrik und Silas (Philipp besitzt den Schein bereits) in der Handhabung des Equipments, den Gefahren und dem Verhalten auf und unter der Meeresoberfläche und allerlei nützlichen Tipps und Tricks zu Themen wie Atemtechnik, Sicherheit oder Kommunikation unter Wasser unterwiesen. Das Gefühl eines Tauchgangs lässt sich wohl am ehesten mit dem eines schwerelos schwebenden Astronauten vergleichen, dessen Bewegungsmöglichkeiten nicht nur um eine dritte Dimension erweitert sind, sondern der auch eine ganz neue Welt mit zahlreichen bizarren Lebensformen für sich entdeckt (eine überaus hilfreiche Metapher, da sicherlich mehr von euch im All als im Wasser waren).



Nach Jans unvermeidlicher Rückkehr dachten er und Philipp jedoch gar nicht daran, den erschöpften Tauchlehrlingen bei ihrem verdienten Ruhetag Gesellschaft zu leisten. Zu lange schon hatte der Teide herausfordernd über der Amadie gethront. Leider braucht man für dessen Besteigung tagsüber eine Genehmigung, die kurzfristig nur über organisierte Reiseveranstalter zu erhalten ist. Ab 7 Uhr werden die Zugänge von Rangern überwacht. Normalerweise kein Problem, da sich kurz unter der Spitze eine Hütte befindet, zu der man am Vortag gemütlich Aufsteigen kann, um dann pünktlich zum Sonnenaufgang auf dem Gipfel zu stehen. Doch natürlich war diese wegen Corona geschlossen. Wir fuhren also nachmittags mit dem Bus auf halbe Höhe und begannen unseren abendlichen/nächtlichen Aufstieg. Der erste Streckenabschnitt führte durch lichte Nadelwälder durchzogen von gigantischen Menhiren und scharfen Schluchten. Der Ausblick über den Wolken auf die versinkende Sonne war einfach atemberaubend schön. Am Fuß des Vulkangipfels versuchten Jan und Philipp mehr schlecht als recht noch einige Stunden Schlaf zu bekommen, da bei Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt nicht zu viel Zeit in 3.700m Höhe auf die Sonne warten wollten. Der mitternächtliche Angriff auf die letzten 800hm führte durch eine bizarre Kraterlandschaft, dessen gigantische Felsbrocken den Schatten erstarrter Riesen gleich in die Dunkelheit hineinragten. Knapp 400m unter dem Gipfel holten uns jedoch Kälte, Müdigkeit und die Warnung ein, dass uns beim Abstieg gegebenenfalls doch eine hohe Strafe durch die Ranger erwartete und wir beschlossen abzubrechen. Nun, besser man versucht und scheitert, als gar nicht erst aus dem Bett aufzustehen. So ergibt sich wenigstens Stoff für einen halben Blogeintrag 😉
Einen Tag später verließen wir Teneriffa und steuerten unseren ersten Hafen seit fünf Wochen (Mótril bei Granada) an: San Sébastian auf La Gomera. Die dicke Wolkendecke um Teneriffa hatte dem Wasserhaushalt der Amadie nicht gutgetan und so nutzten wir freudig die Gelegenheit, die Tanks zu füllen und die gute Lady vom Staub und Schmutz der Kanaren zu befreien. Wir umrundeten die Insel und erreichten den berühmten Valle Gran Rey, ein grüner Canyon, in dem sich in den 1970er Jahren zahlreiche Aussteiger und Hippies ansiedelten. La Gomera ist bekannt für sein einzigartiges Mikroklima, das einen dichten Nebelwald in der Mitte der Vulkaninsel geschaffen hat. Dieses Wanderparadies wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen, packten Rucksäcke, Zelt und Kocher und schnappten uns den ersten Bus in den Nationalpark. Von dort durchwanderten wir zwei Tage lang die grünen Hügel und Schluchten voller moosiger Nadelwälder und exotischer Savannengewächse. Die Ausblicke, die sich regelmäßig von den Hügelkämmen boten, lieferten nicht nur ein wunderschönes Panorama über die Wälder La Gomeras, sondern auch auf ihre Nachbarinseln: Den spöttischen Teide und die schwarze Vulkanausbruchswolke, die seit Wochen über La Palma hängt. Noch Tage nach unserer Abfahrt von den Kanaren, sollten wir Aschereste dieses aktiven Vulkans an Deck der Amadie finden. Die Nacht verbrachten wir auf dem einzigen Zeltplatz der Insel, einigen steinigen Terrassen mit einem kleinen aber feinen Restaurant, das uns den Abend sehr verhopfte. Der Rückweg am nächsten Tag durch den Nebelwald war nach wie vor eine sehr willkommene Abwechslung zu den sonst eher kargen und felsigen Kanaraninseln. Je nach Bewegungsbedarf endete der Abend mit Blick auf den Sonnenuntergang vom höchsten Punkt der Insel oder einem 15km langen Abstieg durch mit Palmen, Kakteen und Ziegen gesäumte Canyons bis zur Amadie.






Insgesamt konnten uns die Kanaren mit ihrer Vielschichtigkeit und dem angenehmen Klima überzeugen. Sie reichen als Segelrevier zwar nicht an Kroatien oder die Karibik an, bieten aber eine willkommene Abwechslung, insbesondere in den kalten Wintermonaten außerhalb der Mittelmeersaison. Zum Abschluss möchten wir euch noch auf einige bewegte und bewegende Bilder in unserem zweiten Kanarenvideo einladen:
Zwei Rückschläge und ein Gewinn: Unsere letzte Mittelmeeretappe


Schwer beladen mit Gästen und Vorräten schleppte sich die Amadie aus dem Hafen von Málaga und auf den letzten Streckenabschnitt unserer Mittelmeeretappe. Der sonst so verlässliche spanische Wind hatte nachgelassen und wir trieben einen ganzen Tag gemächlich Richtung Nueva Andalucia und Marbella. Die Region ist bekannt für ihr ganzjährig mildes Klima, schöne Strände, protzige Villen und die höchste Golfplatzdichte Europas. Was verschlug uns an diesen Ort?
Vielleicht habt ihr mitbekommen, dass wir schon seit längerer Zeit versuchten uns eine Meerwasserentsalzungsanlage zukommen zu lassen, ein Produkt, bei dem man schon zu regulären Zeiten mit mehreren Wochen Lieferzeit rechnen kann. Stellt euch also vor, ihr müsst euch mitten in der Coronakrise ein 5.000€ teures, 30kg schweres Paketset, von dem das Lieferdatum nicht bekannt ist, pünktlich an einen Ort in einem fremden Land liefern lassen, der euch selbst nicht bekannt ist, weil euer Haus leider die blöde Angewohnheit hat, seinen Standort täglich um 30km zu verschieben. Kurzum, es war ein zwei monatiger administrativer Alptraum, aber nach einigen Dutzend Mails und Telefonaten in drei verschiedenen Sprachen über vier verschiedene Länder und einer missverständlichen Lieferung des Wassermachers nach Barcelona, hatten wir endlich ein passendes Set aus Händler, Lieferadresse und Datum beisammen.


Also, Nueva Andalucia. Überglücklich trafen wir dort auf Kai und Eliana, Bekannte von Jan, die uns die lang ersehnte Maschine übergaben und gleich noch ein paar Sehenswürdigkeiten in Marbella empfahlen. Tags darauf flanierten wir also entlang der kilometerlangen, wunderschönen Strandpromenade zwischen den zwei Orten. Der Ausflug gipfelte in der weiß getünchten, über und über mit Blumen behangenen Altstadt von Marbella. Die makellosen Plätze verführen dort ebenso zum Kaffee trinken, wie zu einem Besuch in einem traditionellen spanischen Tapas-Restaurant. Das ließen wir und unsere kulinarisch interessierten Gäste sich nicht zweimal sagen und so musste das Abendessen an Bord leider mal wieder wegen akuter Überfressung ausfallen.
Nach einigen weiteren Nahrungseinkäufen (die Supermarktregale in Málaga waren irgendwann zu unserer vollständigen Unzufriedenheit geplündert gewesen) und einmal volltanken beendeten wir den Besuch in dieser Region mit einem heiß umkämpften Fußballmatch am Strand, das die Crew der Amadie haarscharf und völlig unverdient mit 10:5 gegen ihre Gäste aus der Waldresidenz verlor. Naja, wir wissen alle, wer die Sieger der Herzen waren.


Der letzte Streckenabschnitt trug uns vorbei an dem Felsen von Gibraltar, der mächtigen, britischen Enklave, die wachsam und mit Kanonen und Affen bestückt über die Einfahrt ins Mittelmeer wacht. Kurz dahinter liegt der Hafen von Tarifa, in dem wir in den späten Abendstunden unserer Ankunft Schutz vor Wind und Wellen suchten. Leider stellt der Hafen keine Anleger für Segeltouristen zur Verfügung, aber zwei Polizisten waren nett genug, uns für die Nacht am Fähranleger festmachen zu lassen, vorausgesetzt wir würden diesen vor Eintreffen ihres Chefs am nächsten Morgen wieder verlassen. Ihr erste Frage, nachdem wir festgemacht hatten, war gleich, ob wir einen Schaden durch Orcaangriffe erlitten hätten. Verdutzt verneinten wir, nur um dann zu erfahren, dass es in der Region seit gut einem Jahr wöchentlich zu Attacken der Killerwale auf Segelboote unserer Größe käme. 50 Boote allein in diesem Jahr, von denen gut die Hälfte so stark beschädigt wurde, dass sie abgeschleppt werden mussten. Dieses neuartige Verhalten der sonst scheuen Tiere stellt die Meeresbiologie bis heute vor ein Rätsel. Keine allzu rosigen Aussichten für uns jedenfalls.



Auf Anraten der Polizisten befestigten wir eine Signalfackel an einem Bootshaken, um damit gegebenenfalls die Orcas unter Wasser zu vertreiben. Wachen wurden postiert, die Ladung gesichert und vor der Dämmerung machten wir uns auf den Weg zur gut vierstündigen Überfahrt auf den afrikanischen Kontinent nach Tanger. Glücklicherweise verlief die Überquerung der Straße von Gibraltar bis auf einige Ausweichmanöver um große Frachtschiffe herum ereignislos und die Vorfreude, endlich einen neuen Kontinent zu betreten. Der Schock kam erst, als wir in Tanger in den Hafen einlaufen wollten. Aufgrund aktueller Coronabeschränkungen sei zwar eine Einreise per Flugzeug, Fähre, Auto, zu Fuß, per Kamel und auf einem Dreirad möglich, für private Segelyachten blieben die Häfen aber weiterhin gesperrt. Nichts zu machen, alles beten und betteln half nichts, die Grenzpolizei blieb hart. (Außer natürlich wir hätten einen Orcaschaden gehabt, dann hätte man uns eingelassen). Bitterlich enttäuscht kehrten wir der plötzlich dreimal so attraktiv wirkenden Hafenstadt den Rücken und kehrten zurück nach Tarifa.
Die Verzweiflung war groß, der Rumkonsum entsprechend und so trösteten wir uns mit einem lustigen Abend in einem Pizzarestaurant in Tarifa. Die darauffolgenden Tage verbrachten wir mit kleineren Bootsarbeiten und Schnorchelausflügen in Tarifa, je nach Windrichtung pendelnd zwischen der Mittelmeer- und der Atlantikseite dieser Landzunge. Unsere Gäste verließen uns und auch Jan brach zu einem dreiwöchigen Heimaturlaub auf, um sich noch einmal gebührend von Freunden und Familie zu verabschieden, bevor es hinaus auf die andere Seite des Planeten ging. Philipp beendete endlich seine Bachelorarbeit über das Energiesystem der Amadie und so war schließlich am 05.10. nach exakt vier Monaten im Mittelmeer alles bereit für unseren großen Aufbruch in den Atlantik.
Während wir nun mit Wind und Wellen auf diesem wilden, unbekannten Ozean kämpfen, sind wir auch nur ein bisschen neidisch bei dem Gedanken, dass ihr gerade in der Behaglichkeit eurer stillstehenden Wohnungen entspannt unser neuestes Video genießen könnt:

Der arabische Einfluss: Südspanien von Granada bis Málaga
Wir schrieben den 21. September des Jahres 2021. Die See war rau, die Caipirinha-Limetten gingen zur Neige, Olaf Scholz stand kurz davor Kanzler zu werden und die Crew hatte noch nicht eine einzige Katze am Katzenkap gesehen. Alles in allem keine besonders rosigen Aussichten. Man könnte sagen, es war an der Zeit für etwas royalen Glanz in unserem Leben.
Kaum das wir den Windschatten des Kaps hinter uns gelassen hatten pfiff uns der Wind mit 5 Beaufort (=20kn / 38km/h) um die Ohren. Zwar stieg der Autopilot bei den rauen Bedingungen bald aus und wir mussten den Großteil des Tages von Hand steuern, doch reichte so die Genua allein aus, um den Tag über einen Schnitt von 7kn zu fahren und unseren 66nm entfernten Zielort Motril in nur 9 ½ Stunden zu erreichen. Ein herrlicher Segelspaß. Zum Vergleich: Für diese Strecke hatten wir im windarmen Teil Albaniens auch schon über zwei Tage gebraucht. Der Empfang in dem kleinen Hafen voller Motorboot-Lagerregale war freundlich und hilfsbereit. Auch konnten wir unsere linguistischen Autodidaktik-Skills weiter trainieren, als uns die Hafenmitarbeiter auf Spanisch erklärten, dass wir heute und morgen besser nicht rausfahren sollten, da 5 Beaufort Wind gemeldet waren. Zum Glück waren wir ja hierhergelaufen 😉.
Wem Motril kein Begriff ist – das ist keine Schande – der kleine Küstenort hat wenig zu bieten, außer dass er der Seezugang zur bekannten Stadt Granada und ihrem berühmten Weltkulturerbe, der Alhambra, ist. Früh am nächsten Morgen ging es also mit dem Bus ins Landesinnere und wenig später schlenderten wir durch die sehenswerte Altstadt. Wunderschön gelegen in einem großen Tal zwischen bewaldeten Hügeln, reihen sich hier historische Religionsstätten an verschnörkelte Verwaltungsgebäude und ausladende, weiß gestrichene Wohnhäuser. Das Wahrzeichen der Stadt erhebt sich majestätisch auf einem Hügel am Rande der Stadt: Die Festungs- und Palastanlage der Alhambra. Mehrere Stunden wanderten wir durch die paradiesischen Gartenanlagen des Generalife, bestaunten die Ausstellungsstücke in den Museen des königlichen Palazzo und waren geblendet von der Schönheit der filigranen Wandverzierungen, die die gesamten Nasriden-Paläste schmücken. Wir wagten nicht zu schätzen, wie viele tausende Arbeitsstunden und handwerkliches Geschick in die detaillierte Ausarbeitung jedes Quadratzentimeters Bodenmosaiks und Wandreliefs dieser prunkvollen Gemächer geflossen sein muss. Der abendliche Ausblick von den Festungsmauern über Stadt und Tal war ein atemberaubender Abschluss dieses Ausflugs in die prunkvolle maurische Vergangenheit Südspaniens.












Nächstes Ziel: Málaga. Auf der angenehmen Überfahrt dorthin begegneten uns am Nachmittag mehrere Delfinschulen. Dutzende Tiere umschwammen neugierig das Schiff und rieben sich am Bug der Amadie. Viel zu spät ließen wir eine Schleppleine ins Wasser, an der wir uns mit Taucherbrillen hinter dem Schiff herziehen und kommen nur noch mit wenigen Nachzüglern ins Angesicht. In der Ferne blinkten schon die Lichter des málagaschen Hafens als vom Steuermann plötzlich der Ruf ertönt: „Treibgut in Sicht! Oder ein herrenloses Boot. Oder Container. Schwer zu erkennen.“ Alles drei Grund genug für uns, den Kurs zu ändern und sich das näher anzuschauen. Tatsächlich entpuppte sich der ominöse, grüne Gegenstand als treibendes Boot. Kaum drei Meter lang, auf simpelste Art aus GFK zusammengeklebt, ohne Motor oder Ruder drängte sich direkt ein Verdacht auf. Die zurückgelassenen Schuhe und muffeligen Kleidungsreste erhärteten diesen: Scheinbar haben wir wenige Kilometer vor der spanischen Küste ein verlassenes Flüchtlingsboot gefunden. Welches Schicksal die Insassen ereilt hatte, konnten wir nur erahnen, hoffen aber, dass der Kahn erst an Land aufgegeben wurde und von alleine hinausgetrieben ist. Wir schleppten diese ziellos treibende Gefahr für den Schiffsverkehr in den Hafen von Málaga und deponierten ihn dort in Sicherheit.

Früh am nächsten Mittag füllte sich jeder Quadratmeter der Amadie wieder mit Lärm und Leben, als unsere hiesigen Gäste, Paul, Meo und Friedrich ihre Kojen beziehen. Gemeinsam flanierten wir am Nachmittag und Abend durch die Parks und Straßen dieser südspanischen Kultur- und Partymetropole. Der Abend endete – wie sollte es anders sein – in einer der zahlreichen Bars auf einer der zahlreichen Plätze. Bis spät in die Nacht stießen wir heiter und auf beste Teutonen-Art mit viel Bier und wenig anderem auf alte Freundschaften und neue Erfahrungen an.



Wir näherten uns der Straße von Gibraltar und somit dem Atlantik. Bald würden unsere Überfahrten häufiger und länger werden und wir können uns nicht mehr darauf verlassen, zu jeder Zeit alle Lebensmittel frisch verfügbar zu haben. Es war folglich an der Zeit, den letzten Aufenthalt in einer europäischen Großstadt zu nutzen, um sich Gedanken über unsere Vorräte für die Fahrt in die Karibik und darüber hinaus zuzulegen. Nicht haltbare Lebensmittel wie Obst und Gemüse müssten natürlich weiterhin bei jeder Gelegenheit frisch vor Ort gekauft werden, Verfügbarkeit und Preis waren jedoch zwei gute Argumente, sich zumindest von allen haltbaren Waren bereits in Spanien größere Vorräte anzulegen. Nachdem also alle das Bier des Vorabends verdaut hatten, begannen wir die Regale des nächstgelegenen Supermarktes zu plündern. 20 Wanderrucksäcke und 5 bis über den Rand beladene Bollerwagen waren nötig, um den ganzen Tag über eine Essensladung nach der anderen an Bord zu transportieren und in jeder nur erdenklichen und auch den meisten nicht erdenklichen Ritzen zu verstauen. Am Ende des Tages waren wir knapp 1.500€ ärmer, die Amadie eine halbe Tonne schwerer und die Nerven beruhigt, das wir in absehbarer Zeit nicht auf Schwarzbrot und Rotkraut würden verzichten müssen.
Bevor wir die Artikel verstauten, wurden von allen Konserven die Etiketten entfernt und der Inhalt mit Edding beschriftet. Pakete mit dünner Verpackung, wie z.B. Haferflocken, wurden in Folie eingeschweißt. Beides dient der Absicherung gegen Motten und sonstige Larven, die sich in dem Papier einnisten und ganze Vorratskammern ungenießbar machen können. Um den Überblick über unseren Verbrauch zu behalten, legten wir eine Liste mit Menge und Lagerort an. Gerade letztere Information erspart bei 21 verschiedenen Essensschränken und -luken auf Dauer das Eichhörnchen-Syndrom. Wir laufen nun keine Gefahr mehr, zu vergessen, welche Nüsse wir wo vergraben haben.
Am Ende dieses Blogeintrags steht zur Abwechslung eine kleine Hausaufgabe, während ihr unser neuestes Video schaut. Schickt uns doch mal ein paar Rezepte per Mail, wie man 12 Gläser saure Gurken mit 24 Gläsern Apfelmus zu einem sinnvollen Gericht kombiniert. Weitere ähnlich schmackhafte Kombinationen können aus der Liste unserer eingelagerten Vorräte unter dem Video entnommen werden:
Ananas, American Cookies, Apfelmus, Artischocken, Asiasoße Sushi, Asiasoße süß, Brauner Zucker, Doppelkekse, Erbsen, Fertigtomatensoße, Ganze Tomaten, Grüne Oliven, Haferflocken, Hafermilch, Honig, Kaffeepulver, Kakao, Kartoffelpüree, Ketchup, Mais, Marmelade, Mayonnaise, Mehl, Milch, Müsli, Nüsse, Nutella, Olivenöl, Passierte Tomaten, Peperoni, Pesto, Pfirsiche, Quinoa, Röstzwiebeln, Rote Chili Bohnen, Rotkraut, Sahne, Salzige Brotchips, Salzkekse, Saure Gurken, Sauerkraut, Schwarzbrot, Schwarze Oliven, Senf, Sonnenblumenöl, Stangensalami, Tortillas, Weiße Bohnen, Weißweinessig.
Arbeit und Spaß dabei: Entdeckungsreise entlang Spaniens Ostküste
Das Gewitter war zunächst nur ein leises Brummen in der Ferne, kaum wahrnehmbar über dem Pfeifen des Windes, der uns in den letzten 30 Stunden fast 150 Meilen von Barcelona aus südwärts getragen hatte. Die aufkommende Abenddämmerung machte es schwer, die dichten Wolkenformationen zu erkennen. Gerade hatten wir unseren Anker vor dem hässlichen Industriehafen von Castéllon de la Plana geworfen, um dort am nächsten Morgen unseren Gast Rafael zum Zug zu bringen, als das Schauspiel begann. Im Sekundentakt zuckten auf drei Seiten um uns herum elektrische Entladungen durch die Wolkendecke. Das spektakuläre Wetterleuchten, untermalt vom dumpfen Grollen des Donners, tauchte das Deck der Amadie in gespenstisch flackerndes, weißes Licht. Gelegentlich schoss ein Blitz hinab auf die Wasseroberfläche, zunächst in beruhigender Entfernung, doch spürten wir die elektrische Ladung des Wassers bis an Bord unseres Schiffes. Mehrfach fiel an diesem Abend unsere elektrische Navigation aus und musste neu gestartet werden. Während einige Crewmitglieder den flackernden Himmel als Disco eines Donnergotts feierten, verkrochen sich andere in ihre Kojen, sorgsam darauf achtend, 1,50m Mindestabstand zu allen metallischen Gegenständen zu halten, um bei Blitzeinschlag keinen Ladungsübersprung zu riskieren.




Glücklicherweise blieb es bei einer audiovisuellen Erfahrung und wir konnten früh am nächsten Morgen unsere Fahrt unter Motor fortsetzen. Nur um direkt in ein Treibholzfeld aus Dornen, Ästen und Ranken zu geraten, das rasch unsere Schraube lahmlegte. Eine halbe Stunde Tauchen mit Messer und Arbeitshandschuhen befreite den Rumpf zwar wieder von dem Gestrüpp, doch konnten wir unsere Fahrt in dem Treibholz nur langsam und mit Ausguck am Bug fortsetzen. So hatten wir uns unseren 100. (!) Tag auf See nicht vorgestellt. Der zeremonielle Glennfiddich wurde dennoch ausgepackt.
Am frühen Nachmittag kam schließlich Valencia in Sicht. Der moderne und kostengünstige Hafen nahe Strandpromenade und Partymeile gefiel uns augenblicklich und so beschlossen wir uns hier gleich zwei Nächte von den Strapazen der Fahrt ab Barcelona zu erholen. Außerdem musste der 101. Tag auf See dringend als Katertag herhalten. Wir nutzten das Wochenende dennoch für eine ausgiebige Stadtbesichtigung. Die Altstadt von Valencia hat mit ihren gewaltigen Stadtmauertoren, Kirchen und historischen Markthallen einiges zu bieten, doch das Highlight ist sicherlich der Jardín del Turia. Diese „grüne Lunge“ Valencias zieht sich 100-500 Meter breit in einem alten Flussbett einmal durch die komplette Stadt und ist die perfekte Autobahn für Radfahrer, Jogger und Spaziergänger vom Hafen zur Altstadt. Eine exotische und abwechslungsreiche Flora, zahlreiche Wiesen, Sportanlagen, Skaterparks, Spielplätze, Bäche gehen hier fließend ineinander über. Besonders sehenswert sind die futuristisch anmutenden Museen und Theater mitten im Jardín, die ihren Ruf als architektonisches Alleinstellungsmerkmal der Stadt mit Sicherheit verdient haben. Die Innenstadt Valencias reicht zwar nicht an das turbulente Barcelona heran, aber ein Besuch ist allemal empfehlenswert.


Wir werden oft gefragt, ob wir auf unserer Reise gutes Wetter haben. Nun, die Antwort darauf ist eine sehr relative Einschätzung. Zwei Meter hohe Wellen, pfeifender Wind unter einer dichten Wolkendecke, spritzende Gischt und 7kn Fahrt sind aus Sicht unserer Crew ein nahezu perfekter Tag. Aus Sicht mancher unserer Gäste, die mit grüner Nase über der Reling hängen, eher weniger. Um den Wellen zumindest in der Nacht zu entgehen, liefen wir also am nächsten Abend im Hafen von Venecia ein (nein, nicht die weltbekannte Lagunenstadt in Italien, mehr so die traurigen Reste, die man aus dem Müllcontainer hinter einem venezianischen Supermarkt zieht und dann auf einem verrottenden Fischkutter nach Spanien schippert). Nichtsdestotrotz war dies eine gute Gelegenheit für unsere Crew, sich eines Problems anzunehmen, das uns schon länger ein Dorn im Auge war: Eine unserer Winschen quietschte ordentlich beim Kurbeln und gab Anlass zur Sorge, dass sich hier Verschleiß bildete. Als wir sie auseinanderschraubten, mussten wir feststellen, dass die Winsch vermutlich noch nie in den 13 Jahren seit Geburt der Amadie ordentlich gereinigt und gefettet worden war. Das war’s dann mit unserem freien Tag. Acht Stunden verbrachte die Crew damit, unsere vier Winschen in jedes Einzelteil zu zerlegen, diese in Lösemittel zu reinigen, neu einzufetten und wieder zusammen zu schrauben. Und siehe da: Plötzlich war es ein Kinderspiel, den Beibootmotor oder mutige Crewmitglieder den Mast hinauf zu hieven. Die Kraftanstrengung hatte sich beinahe halbiert! Und für eine abendliche Partie Volleyball am Stadtstrand mit unseren Gästen Matthias und Katha blieb sogar auch noch Zeit.


Trotz all den luxuriösen Annehmlichkeiten eines Stadtaufenthalts (Duschen, fließendes Wasser, ein Boden, der nicht wackelt), sehnten wir uns zurück nach einsamen Buchten, kristallklarem Wasser und bewaldeten Uferklippen. Der letzte Aufenthalt in einer richtigen Badebucht lag bereits vier Wochen und ein halbes Meer bis nach Sardinien zurück. So ertrugen (oder genossen?) wir in den kommenden Tagen auch ein bisschen nächtliches Geschaukel, um die wunderbare Über- und Unterwasserwelt der Isla del Portixol und des Punta Bombarda erleben zu können. Erstere bot nicht nur reiche Fischschwärme, die Philipp endlich als Anlass zu seinem ersten Tauchgang nutzte, sondern auch Gelegenheit kraxelnd die dicht bewachsene Insel und ihre Geheimnisse zu erkunden. Der Punta Bombarda hingegen war mit seinem warmen, tiefblauen Wasser ein Schwimmparadies und die Erkundung eines verfallenen Tagebauwerks und des Leuchtturms auf der Spitze des Kaps sorgte für reichlich Abwechslung an Land.
Nach so viel Gelegenheit zum Baden und Duschen und mit voll besetzten Gästekabinen stand es bald nicht gut um unsere Süßwasservorräte und so nahmen wir Kurs auf den nächsten Hafen: Alicante. (Wer mitzählt, mag festgestellt haben, dass wir nun in Spanien bereits mehr Nächte in Häfen verbracht hatten, als auf unserer gesamten bisherigen Reise zusammen, starkem Wind und günstigen Preisen sei dank). Die Stadt ist eher arm an touristischen Attraktionen, bietet aber eine große Fülle an Bars, Restaurants, Clubs und jeglicher erdenkbarer Kombination dieser drei Abendetablissements. Eine gute Gelegenheit für ein gebührendes Abschiedsessen von unseren Gäste, die bereits alle ausnahmslos ihren Zweit- oder sogar Drittbesuch bei uns planen. Am Folgetag mussten wir unseren üblichen wöchentlichen Versorgungstag einlegen: Putzen, Einkaufen, Wäsche waschen, kleinere Reparaturen. Umso erfreulicher, dass uns noch einige Stunden blieben, um das Volvo Ocean Race Museum im Hafen von Alicante zu besichtigen. Dieses herausforderndste und anspruchsvollste Team-Weltumsegelungsrennen hatte mehrfach seinen Start in Alicante. Grund genug für die Stadt, um nicht nur mit Videoclips, Ausstellungsstücken und Infotafeln auf die unmenschlichen Strapazen und technologischen Finessen dieses geschichtsträchtigen Rennens hinzuweisen, sondern auch einen ausgemusterten Ocean Racer auszustellen. Zugegeben, ein, zwei Knoten hatte diese durchoptimierte Metallbox in ihren besten Tagen der Amadie vielleicht voraus, aber mit deren aufreizenden Charme konnte dieses nautische Äquivalent einer Raumkapsel nicht mal ansatzweise mithalten.


Mit gefüllten Vorratskammern fingen wir am nächsten Tag eine weitere Brise (wo die nur immer alle herkommen?) ein und ließen uns über unsere nächste Nachtschicht weitere 250km gen Süden tragen. Unser Wind-Timing seit Barcelona war nahezu perfekt, so dass wir mit einer Mindestanzahl an Segelstunden bereits zwei Drittel der spanischen Küste Richtung Atlantik hinter uns gelassen hatten. Nun blieb uns eine letzte ruhige Nacht am Cabo de Gata („Katzenkap“), einer zerklüfteten Prärielandschaft, die mit ihren flachen Sandhäusern stark an den amerikanischen Wilden Westen erinnert. Hätten wir gewusst, was in den kommenden Tagen auf uns zukommt, wir hätten sicher länger ausgeschlafen.
Doch mehr davon in unserem nächsten Blogeintrag. Bis dahin viel Spaß mit dem zugehörigen Video:
Ein urbanes Abenteuer: Gestrandet im Trockendock von Barcelona
Ruhig und zielstrebig zog die Amadie einem Zugvogel gleich ihre Linien durchs Wasser, das Meer eine ewige blaue Wüste um uns herum, voller Einsamkeit und Leben, Stille und Bewegung zugleich. Zwei Tage schon waren wir von Sardinien zunächst mühselig gegen den Wind, schließlich mit einem entspannten Raumwindkurs gefahren. Plötzlich ein Sirren, ein Ruck durch Schiff und Mannschaft. Der Klicker unserer Angel hatte endlich angeschlagen! Blieb uns das Glück unserer letzten Angelversuche treu (eine Möwe, eine Qualle, eine Plastiktüte) oder war heute endlich der Tag, an dem wir zu größerem bestimmt waren?! Fluchs sprang Philipp an die Angel und begann methodisch zu kurbeln. 15 Minuten dauerte der Kampf, als sich schließlich ein bläulich schimmernder Schemen knapp unter der Wasseroberfläche abzeichnete. Mit vereinten Kräften, Bootshaken und Messer hievten wir unsere zappelnde Beute an Bord und setzten ihr ein rasches Ende. Vor uns lag blutverschmiert ein 80cm langer Thunfisch, gut 10kg schwer, der feuchte Traum eines jeden Sushi-Kochs. Ohne Zögern gingen wir mit unserer gewohnten Learning by Doing-Mentalität ans Werk und schnitten alles heraus, was nicht essbar aussah. Der Rest landete nur Minuten später in der Pfanne. Mit etwas Salz und Limette angebraten lagen zwei Stunden nach dem Biss ein Dutzend braun gebratener Thunfischfilets auf unseren Tellern – und sogar unser Fischskeptiker Tilman musste zugeben: Dies war der leckerste Fisch, den je einer von uns gegessen hatte. Das beste daran: Uns blieb genug, um die ganze Mannschaft zwei weitere Tage zu versorgen. Unser Angelfieber ist geweckt!





Zwei weitere Tage später erblickten wir am Horizont die Küste Spaniens, unseres sechsten Reiselandes. Leider war unsere glückliche (oder sehr ungünstige, je nach Blickwinkel des Beteiligten) Begegnung mit dem Thunfisch nicht das einzige Ereignis auf der Überfahrt. Bei einer Routineinspektion der Mechanik hatten wir festgestellt, dass die Lagerung unseres Ruders Spiel bekommen hatte und somit in ihrer Aufhängung einigen Materialabrieb erzeugte. Kein akutes Drama, aber definitiv ein Problem, dass so schnell wie möglich angegangen werden musste. Mit diesen Sorgenfalten auf der Stirn liefen wir also nach einer sehr welligen und unruhigen Nacht vor Barcelonas Stadtstrand in den Port Olimpic, ein Überbleibsel der olympischen Spiele von 1992, ein. Die erste Überraschung waren die günstigen Übernachtungspreise im Vergleich zu unseren bisherigen Reiseländern (60€/Nacht in der Mitte von Barcelonas 5km langem Stadtstrand), die sich durch ganz Spanien durchziehen sollten.
Während wir also erste Spaziergänge durch diese (zu Recht) weltbekannte spanisch-katalanische Metropole und einige kurze Tagesausflüge an Land und auf dem Wasser mit unseren Gästen der Woche (Vidu, Martina, Bernhard, Olli und Jenny) unternahmen, warf ein lokaler Mechaniker einen ersten Blick auf unsere Ruderanlage. Schnell war klar: Dieser Schaden würde nicht im Wasser zu beheben sein, die Amadie musste ins Trockendock. Alles beten und betteln half nichts, der Kran griff unter die alte Lady und hievte sie erbarmungslos aus ihrem natürlichen Element. Die Crew und Gäste bezog ein AirBnB in der Innenstadt und der Mechaniker unseres Vertrauens ging ans Werk. Der Schaden gestaltete sich leider etwas aufwändiger als geplant, so dass ein Großteil der Ersatzteile neu und individual gefertigt musste. Die Lieferdauer der Teile und schlechte Verfügbarkeit des Krans zum Aus- und Einbau des Ruders verzögerte die Reparatur immer wieder um einige Tage, bis wir schließlich bei neun Tagen im Trockendock und Gesamtkosten jenseits der 5.000€ landeten. Natürlich nutzen wir die Zeit, um gleich selbst einige kleiner Ausbesserungsarbeiten am Antifouling am Rumpf der Amadie durchzuführen. Glücklicherweise übernahm unsere Versicherung am Ende einen Großteil der Kosten, doch wir werden alles daransetzen, in Zukunft solche Reparatur-Eskapaden zu vermeiden. Aber die Amadie ist ein 13 Jahre altes Schiff, die Belastungen einer Weltumsegelung immens und die sieben Weltmeere noch für jede Überraschung zu haben.



Doch kommen wir zum schönen Teil dieser Episode: Unsere zwei Wochen Landgang in Barcelona! Plötzlich eröffnete sich für uns eine völlig neue Welt, ein völlig neues Lebensgefühl. Unsere WG befand sich plötzlich nicht mehr auf dem Wasser, sondern wie bei jedem normalen Menschen in einer Appartementwohnung im dritten Stock eines Mietshauses. Das ständige Auf und Ab der Wellen wurde durch jenes eines Fahrstuhls ersetzt, der gellende Schrei der Möwen durch knatternde Automotoren und die warmen Strahlen der Sonne…naja, gut, es ist die Sonne. Die ist überall gleich. Der Punkt ist, wir fühlten uns urplötzlich zurück versetzt in unser normales Leben, bestenfalls in jenes eines gewöhnlichen Rucksacktouristen auf Auslandsreise. Und es war schön. Zumindest für einen Moment. Es dauerte nur wenige Tage und wir hatten uns einen richtigen Freundeskreis aufgebaut. Sei es über unsere Gäste, Bekannte aus Deutschland auf Urlaub in Spanien, Tinderdates, lokale Brettspielegruppen, zufällige nächtliche Bekanntschaften mit Austauschstudenten und -studentinnen. Es herrschte wahrlich kein Mangel an lieben und lustigen Menschen, um unsere Tage in Barcelona zu füllen. Und die Stadt selbst tat ihr übriges.



Barcelonas Stadtbild ist durch zahlreiche Parks und Sportanlagen geprägt, die sich nahtlos in die symmetrischen Häuserblocks integrieren. Der Stadtstrand ist riesig, gepflegt und mit Volleyballfeldern, Trimm-dich-Geräten und gut Aussehenden Barceloniern gespickt. Die Altstadt ist verwinkelt, verziert und verträumt. Restaurants und Bars unterschiedlichster Couleur säumen die Straßenzüge uns sorgen für ein exzessives Nachtleben, trotz der Coronabedingten Sperrstunde ab Mitternacht. Die Sagrada Familie, der Güell Park, die schmuckvollen Gaudi-Häuser und zahlreichen Kirchen machen die Stadt zu einem Märchenland für jeden Architekturinteressierten. Die Nächte am Stadtstrand und in den belebten Parks und Plätzen bildeten einen krassen Unterschied zu unserer gewohnten Einsamkeit auf dem Meer.



Ein besonderes Highlight war unser Ausflug an das Bergkloster Montserrat. Spektakulär gelegen an der Flanke eines weit aufragenden Felsmassivs ist diese Klosteranlage ein weitreichender Touristen- und Wanderfreundemagnet. Auch Jan, Hendrik und Tilman nutzten die Gelegenheit für einen zwei tägigen Hike durch die bewaldeten Hügel im Vorland der zerklüfteten Klosterberge. Wälder und Auen und einsame Zeltplätze in wilder Natur waren Balsam für unsere wassergetränkten Pfadfinderseelen.







Am 08.09. schließlich sank die Amadie grundsaniert und mit einem Seufzer der Erleichterung zurück in die blauen Fluten. Wir verbrachten den Vormittag damit unsere geliebte Lady mit Vorräten und der nächsten Gästefuhre bestehend aus unseren nunmehr Stammgästen Matze, Saskia und Rafael sowie unserem Neuzugang Katha zu beladen. Mit einem Jubelschrei und breitem Grinsen auf dem Gesicht hissten wir volle Segel und stürzten uns in die Wellen. Mit Poseidons Gunst im Rücken schoss die Amadie gen Süden, ihrem nächsten spanischen Abenteuer entgegen. Endlich wieder in Freiheit!
Die bewegten und bewegenden Bilder zu diesem urbanen Abenteuer gibt es wie immer in unserem Video zu bestaunen:
Eine Reise durch die Geschichte: Abenteuer in Italiens Süden (Teil 2)
Am 05.08. machte sich der dritte Nachteil der Kap-Bucht-Struktur Kalabriens bemerkbar: Da es in dieser Region allgemein wenig Segelverkehr gibt, halten die meisten Häfen kaum Liegeplätze für Gäste bereit. Die ersten zwei Häfen, die wir an diesem Abend anfunkten, waren restlos überfüllt und erst im dritten Hafen, in Agropoli, fanden wir in der Hafeneinfahrt einen geschützten Ankerplatz vor den nächtlichen Wellen. Wir hätten es schlechter treffen können: Die Altstadt dieses kleinen Küstenorts hatte mit breiten Steintreppen, engen Gassen und einem mittelalterlichen Fort alles, was für einen romantischen Abendspaziergang benötigt wurde (und natürlich Eis und Pizza Nr. 3). Den Folgetag nutzten Tilman und Philipp zum strategischen Zersägen der Bodenplatten unter unserem Salontisch, um uns zusätzlichen Stauraum im Fußraum zugänglich zu machen - eine vorausschauende Erweiterung unserer Vorratskammern für die näher rückende Atlantiküberquerung. Während Réné sich bereits verabschiedete, nutzten Jan, Hendrik, Maike und Leonie den Tag für eine ausgedehnte Wanderung in den pittoresken Küstenort San Marco (Eis und Pizza Nr. 4).




Nach einem emotionalen Abschied am nächsten Morgen von unseren letzten Gästen, zog die Amadie weiter die italienische Küste hinaus, mehrere historische Ausgrabungsstätten im Fokus. Der erste Zwischenstopp führte uns nach Paestum. Auf etwa einem Quadratkilometer wurden hier die Grundmauern einer antiken griechischen Siedlung freigelegt. Absolutes Highlight sind die drei gut erhaltenen Tempel, die mit ihren breiten Säulen und dreieckigen Giebeln an die Akropolis in Athen erinnern. Das benachbarte Museum bot eine Reihe bunt bemalter Grabplatten, die einen Einblick in den 3.000 Jahre alten Totenkult der Siedler bieten. Die Schwüle und Anstrengungen eines so langatmigen Ausflugs zwangen die Crew an diesem Nachmittag eine neue Technik zu entwickeln: Es stellte sich heraus, dass man mit Schwimmweste und Sicherungsleine an der ankernden Amadie ganz hervorragend auf dem Rücken im Wasser treiben und völlig anstrengungslos ein kaltes Bier genießen kann.


Derart gestärkt ging es weiter nach Salerno, wo Matthias, Caro und unseren jüngsten Gast, den sechsmonatigen Matteo ihre Kabinen an Bord bezogen. Die folgenden drei Tage entlang der Amalfi-Küste boten einige fantastische Ausblicke auf die Steilhänge dieser Landzunge, Gelegenheiten zum Schnorcheln und Erkunden der Zitronenplantagen und Touristenorte. Die penetrante Hitze trieb uns aber stetig voran auf der Suche nach erfrischenden Buchten und schattigen Restaurants. Schließlich erreichten wir am 12.08. ein lange ersehntes Highlight unserer Italienreise: Pompeji und den Vesuv.



Selten zuvor hatten wir eine hässlichere Stadt gesehen auf unserer Reise. Der ganze Küstenstreifen vor Pompeji stank wie eine fürchterliche Kloake, die Ufersteifen waren übersät mit Bauschutt, Müll und Industrieanlagen. Beides hinderte die Ortsansässigen nicht an ihrem Badevergnügen, aber wir versuchten nur so schnell wie möglich die drei Kilometer vom Ufer zu der weltberühmten Ausgrabungsstätte zurück zu legen, vorbei an viel befahrenen Straßen und heruntergekommenen Häuserzeilen. Die Ausgrabungsstätte allerdings bot alles, was wir uns erhofft hatten: altrömische Villen, deren gut erhaltene Fresken, Wände und sogar Mobiliar den Eindruck erweckten, als hätten die Bewohner sie vor einem und nicht zweitausend Jahren verlassen, ganze Barviertel, deren Tresen und Küche zur sofortigen Widernutzung bereitstanden, Tempel und Theater, Straßen und Alleen und schließlich ein Marktplatz, über dem majestätisch und bedrohlich der Vesuv thront, jener apokalyptische Konservator Pompejis und seiner 10.000 Bewohner. Mittels einer speziellen Gusstechnik wurden auch die Abdrücke einiger Leichen, die man in den meterhohen Ascheschichten bei der Freilegung der Stadt gefunden hatte, rekonstruiert. Die schwarzen Körper in kauernder Haltung, die Arme schützend über den Kopf geschlagen, verdeutlichen auf grausame, bedrückende Art die schicksalhaften letzten Momente unserer 2.000 Jahre alten Mitmenschen.



Der nächste Tag konnte folglich nur ein Ziel für uns bereithalten: Die Ersteigung des Vulkans selbst. Mit dem Bus ging es zunächst bis 200 Meter unter den Gipfel. Der Ausblick über die Bucht von Neapel war bereits ab dieser Höhe spektakulär, die kraterhafte Felslandschaft des Vulkanhangs außerirdisch. Leider war der Zugang versperrt. Nur mit online zu buchenden Tickets, die drei Tage im Voraus stets ausverkauft sind, konnte man auf dem offiziellen Zugang die letzten zweihundert Meter zurücklegen. Doch so leicht geben wir nicht auf und wir wären keine Pfadfinder, wenn wir nicht unseren eigenen Pfad finden könnten. Auf mehr oder weniger offiziellen Wanderwegen schlugen wir uns also auf die Rückseite des Vulkans durch, erkletterten ein paar Geröllhalden und zerbrachen uns ergebnislos die Köpfe, was wohl die vielen Schilder mit der Aufschrift „Passaggio vietato“ bedeuten mochten. Schließlich erreichten wir den Rand des Kraters und standen vor einer letzten Schranke. Der hier postierte Ranger schaute uns sehr irritiert an, wie wir es geschafft hatten, einen seit vier Jahren gesperrten Wanderweg zu beschreiten. Erbost machte er übers Funkgerät seine weiter unten postierte Kollegin zur Schnecke, die uns und wir sie natürlich nicht gesehen hatten und winkte uns dann gnädig für zwei Minuten an den Rand des Kraters. Schließlich waren wir ja sechs Stunden den ganzen Weg aus Pompeji zu Fuß hier hochgelaufen (so zumindest seine Annahme). Ein kurzer Blick in den gähnenden Schlund des inaktiven Vulkans und wir wurden wieder den Hang hinab gescheucht. Nachdem wir der Rangerin am Eingang des Wanderweges ein zweites Mal ausgewichen waren, machten wir uns auf den Rückweg zum Bus, freudig erregt über die schöne Wanderung. Hilfreich wie wir sind, gaben wir auf dem Weg hinab noch einem verzweifelten, verschwitzten Amerikaner, der bereits seit einer Woche versuchte, Tickets für den Aufstieg zu bekommen, nützliche Praxistipps, wie es auch ohne geht – natürlich auf eigene Verantwortung.
Froh, endlich die Kloake vor Pompeji verlassen zu können, plünderten wir noch kurz ein altes Segelwrack und setzten Kurs gen Neapel. Vor unserem Aufenthalt in dieser pulsierenden Metropole legten wir allerdings noch den obligatorischen, wöchentlichen Zwischenstopp in einem kleinen Yachthafen ein, um die geschrottete Beibootmotorschraube zu ersetzen, das Schiff von innen und außen zu schrubben und noch einige, kleinere Ausbesserungsarbeiten zu erledigen. In Neapel selbst fanden wir einen guten Ankerplatz neben der Halbinsel des Castel dell’Ovo. Ein Vorteil, mit seinem eigenen Segelschiff zu reisen, ist die Möglichkeit, regelmäßig kostenlos mit einem malerischen Blick auf eine Stadt nächtigen zu können, für den jedes Hotel einen dreistelligen Aufschlag verlangen würde. Die nächsten eineinhalb Tage verbrachten wir mit einer ausgedehnten Besichtigung der Kastelle, Museen, Palazzi, Katakomben und Kirchen dieser in die Jahre gekommenen, aber sehr lebendigen Großstadt. Ziellose Spaziergänge durch die Altstadt gaben einen Eindruck von der Dynamik und Vitalität im Tag- und Nachtleben. In einer Seitenstraße kamen wir unverhofft in den Genuss der wohl besten Pizza unseres Lebens (und es war nicht mal eine Pizza Napoli). Diese Entdeckung wurde gleich für Eis und Pizza Nr. 5 und 6 genutzt.




Positiv überrascht und mit vollen Vorratskammern brachen wir noch am Abend des 16.08. nach Sardinien auf. Zwanzig Stunden später erreichten wir Ponza, ein letzter insularer Außenposten fünfzig Meilen vor dem italienischen Festland. Umso überraschter waren wir, dass die halbmondförmige, nicht einmal sechs Kilometer lange Insel von hunderten Ausflugsbooten bevölkert wurde. Hier waren auf einem Fleck mehr Schiffe versammelt, als wir bisher in ganz Italien in freier Wildbahn gesehen hatten. Bis heute ist uns schleierhaft, wieso so viele Urlauber die Mühen einer Nachtfahrt für diese schöne, aber nicht außergewöhnliche Insel auf sich nahmen. Wir setzten hingegen nach kurzer Schwimmpause unsere Reise gen Westen fort und waren bald wieder alleine mit der See und dem Wind. Unser Nachtschichtsystem funktioniert mittlerweile reibungslos, die Manöver sind eingeübt, detaillierte Kommandos überflüssig. Flauten werden mit Badespaß, erfolglosen Angelversuchen und Filmen auf unserem Bordbeamer überbrückt. Einziger Aufreger: Während einer Nachtschicht riss unser Beiboot bei ordentlich Welle zwei Stangen des Geräteträgers, an dem es festgebunden war, aus der Verankerung. Drei Mann waren eine gute Stunde mit Taschenlampen und Lifebelts gesichert damit beschäftigt, unsere Solarmodule zu retten und den Träger zu stabilisieren. Bis auf weiteres werden wir das Beiboot nur noch an einem Seil hinter der Amadie schleppen.
Die Nordspitze Sardiniens ist ein unerwartetes Segelparadies. Pläne für einen Abstecher nach Korsika wurden schnell verworfen. Viele kleine Inseln und zahlreiche Buchten mit paradiesischen Sandstränden mischen sich hier mit einem kräftigen Windsystem in der Straße von Bonifacio. Die Landschaft ist wild und schön, die Ausbreitung der Hotelkomplexe noch im Anfang begriffen. Wir besichtigten ein altes Fort, spektakuläre Felsformation, gingen joggen und schnorcheln und verbrachten drei sehr erholsame Tage. Am letzten Abend stolperten wir unvermittelt in ein kleines Tal, der Strand wunderschön gelegen zwischen weißen Klippen, in dem sich eine Hundertschaft Hippies versammelt hatte. Zwischen kleinen Zelten und rudimentären Behausungen wurde getanzt, getrommelt, allerlei fragwürdige Substanzen konsumiert und ausgelassen ein Vollmondfest gefeiert. Das Spektakel rund um die kleine Kolonie war lebhaft und lustig und ist in der Community wohl weit über die Grenzen Sardiniens bekannt. Ein Verweilen war verführerisch.


Doch uns rief ein anderer Geist und freie Liebe hin oder her, in unserem Leben gibt es Platz für nur eine Dame. So sagten wir Arrividerci, bella Italia! Das nächste Abenteuer ruft!
Dieses hier könnt ihr wie immer auch in unserem Video noch einmal miterleben:
Pizza, Höhlen und Ausgrabungen: Abenteuer in Italiens Süden (Teil 1)

„Land in Sicht!“ Am Nachmittag des 29. Juli erscholl der stereotypische Ruf der Ruderwache, als sich im diesigen Horizont die ersten Hügel abzuzeichnen begannen. Bella Italia! Wir hatten nach fünf Tagen und knapp 1.000km die Südspitze des Stiefels erreicht.
Die Überfahrt von San Torin hatte sich weitestgehend ereignislos gestaltet. Nach vierundzwanzig anstrengenden, aber schnellen Stunden in den Fängen des Meltemi, kamen wir in den Windschatten der Peleponnes, motorten ein kurzes Stück und zogen anschließend zwei Tage mit annehmbarer Geschwindigkeit dahin, einzig unterbrochen durch unsere erste Walsichtung und Hendriks Geburtstag. Am vierten Tag flaute der Wind schlagartig ab und nach einem halben Tag ohne Fahrt, ziellos treibend im Nebel und mit keiner Aussicht auf Wetterbesserung, rangen wir uns dazu durch, die letzten 150 Seemeilen (277km) unter Motor zurück zu legen.


Was für ein erfrischender Anblick waren nun nach all dem steinigen Grau Griechenlands und allumfassenden Blau der letzten Tage die grün bewaldeten Hügel unseres fünften Reiselandes. Kaum dass wir uns der Straße von Messina näherten, frischte auch der Wind in dieser Meerenge schlagartig auf und wir kreuzten die letzten Meilen unserem ersten italienischen Checkpoint entgegen: Reggio di Calabria. Am Kai erwartete uns bereits gespannt Jans Familie (Maike, Manuel und Leonie) sowie Réné, ein Freund von Philipp. Trotz starker Brise gelang das mittlerweile vielfach geübte Anlegemanöver problemlos und wir konnten uns auf festem Boden ganz der Landkrankheit hingeben. Außer der Möglichkeit, unsere Vorratskammern aufzufüllen, hatte Reggio di Calabria als wohl eine der hässlichsten süditalienischen Städte nichts zu bieten und so setzten wir früh am nächsten Tag Segel gen Norden. Während unsere Gäste erste Segel- und Steuererfahrung sammelten genossen wir den Blick auf Sizilien und die vor uns liegende Meerenge.
Die Südwestküste Italiens zeichnet sich geographisch durch abwechselnde Kaps und dazwischen liegende Buchten von bis zu 150km Länge aus – der Golf von Gioia, die Nordhälfte Kalabriens, die Bucht von Salerno, die Bucht von Neapel. Segeltechnisch bietet dies zwei große Nachteile, die wir in den kommenden Wochen immer wieder zu spüren bekommen sollten: Erstens herrscht in diesen Küstenabschnitte durch die abschirmenden Kaps an beiden Enden meist lähmende Windstille, zweitens verfügen sie über keinerlei natürliche, geschützte Buchten, um nachts Schutz vor Seegang gen Land zu finden. Ein wenig kompensiert wurde dies allerdings durch die fantastischen Panoramablicke auf die bewaldeten (und höchstens zur Hälfte brennenden), langgezogenen, grünen Hügel und Berge Kalabriens mit ihren zahlreichen, eng an die Hänge geschmiegten Dörfern.



Dem schwachen Wind trotzend kämpfte sich die Amadie tapfer voran über das Capo Vaticano nach Tropea (Eis und Pizza Nr.1), wo wir die ausgedienten Falle in unserem Großmast erneuerten und die Betakelung für unser Gennaker-Vorsegel vorbereiteten. Weiter ging es über zwei Tage und Nächte gen Capo Palinuro. Eine gute Möglichkeit zum Höhlentauchen, Schnorcheln, Bouldern und Joggen bot der wunderschöne natürliche Hafen Baia degli Infreschi mit seinen eiskalten Süßwasserzuflüssen. Am Kap selbst erkundeten wir ein halbes Dutzend Höhlen, die unterschiedlicher und abwechslungsreicher nicht hätten sein können. Von einer penetrant nach Schwefel stinkenden Grotte, in die wir in völliger Dunkelheit eine halbe Stunde hineinschwimmen konnten, über Felsendome mit spektakulären Stalagmiten, die an ein Gelege einer riesigen Höhlenspinne erinnerten, bis zu einer Höhle, die so weitläufig und verwinkelt war, dass wir nach über zwei Stunden wandern und klettern im Schein der Taschenlampen noch immer nicht jedes Tunnelende auch nur gesehen hatten. Erholung von dieser aufregenden Erkundungstour fanden wir im Bergdorf Pisciotta (Eis und Pizza Nr. 2). Überschattet wurde der Abend nur von einem kleinen Unfall, als wir mit der Schraube unseres Beibootmotors einen Stein rammten und diese hoffnungslos verbogen.





Genießt einen Eindruck unserer Höhlentouren (u.a.) in unserem ersten Italienvideo. Wie es mit unserem Motor weiterging und welche Entdeckungsreise in die Antike uns noch erwarteten, erfahrt ihr in unserem zweiten Blogeintrag zu Italien (coming soon):
Unsere Odyssee: Eine Reise durch Griechenlands felsige Küsten und Inseln
Ah, Griechenland, antike Hochkultur, Wiege der europäischen Bürokratie…oder so ähnlich. So kam es uns jedenfalls vor, als wir am 28.06. an der Zollstelle von Korfu-Stadt festmachten und versuchten, unser Schiff in Griechenland einzudeklarieren. Uns erwartete ein Marathon, doch ging es in unserem Fall nicht darum, eine persische Übermacht zu bezwingen, sondern die Hürden der griechischen Bürokratie zu bewältigen. Beinahe zwei Tage verbrachten wir in der (ansonsten sehr sehenswerten Altstadt Korfus) damit, Corona-Impfzertifikate, Pässe, Bootspapiere, Vignetten-Nachweise, Bankauszüge, einen rosaroten Elefanten und was man sonst noch alles für die Eindeklarierung brauchte. Nur um am Ende zu erfahren, dass wir den ganzen Prozess am nächsten Tag, dem 01.07. nochmal durchlaufen müssten, da ein neuer Monat beginnen würde. Das war uns zu viel und wir setzten nach Besichtigung der venezianischen Festungsanlagen lieber die Segel gen Süden. Die letzte Nacht unserer Gäste Tobi, Andrea und Michael an der Südspitze Korfus hielt eine besondere Überraschung für uns bereit: Ein Tauchbad in fluoreszierendem Plankton, dass bei jeder Bewegung unter Wasser aufglühte wie eine Sternenwolke und jeder Handgeste eine funkensprühende magische Aura verlieh.


Mit reduzierter Mannstärke (Hendrik war für die zweite Corona-Impfung nach Deutschland aufgebrochen), zogen wir weiter südwärts: Nach einem kurzen Zwischenstopp auf Paxos, um unsere Wassertanks aufzufüllen und einen Burger am Heck der Amadie im Restaurant auf der Kaimauer zu genießen, trugen uns die Winde über zwei Tage stetig voran. Vorbei an Ithaki und Kefalonia bis an die Küste bei Araxos. Dort wollten wir eigentlich unsere nächsten Gäste, Matthias und Saskia, aufnehmen, doch Wind und Wellen waren so heftig, dass wir die Nacht nicht am vereinbarten Strand verbringen konnten und uns stattdessen hinter einer Landzunge in der Einflugschneise des Flughafens von Araxos verstecken mussten. Um den Leuchtbojen, die den Anflug zum Rollfeld markierten, keine Konkurrenz zu machen, löschten wir alle Lichter, zogen alle Vorhänge zu und nahmen unser bis dato erstes und einziges Abendessen unter Deck ein.



Poseidon segnete unsere Fahrt mit kräftigen Winden und am nächsten Tag rauschten wir mit verstärkter Crew nur so dahin bis Zakynthos. Die Highlights hier waren sicherlich die schöne Kraterbucht vor Keri, eine Wanderung über die ausgedörrten Olivenhaine und Felsfelder der Insel, abenteuerliche Höhlentauchgänge, aber vor allem der Strand von Navagio. Hier rostet in einer engen Bucht vor steil aufragenden Felswänden ein alter Fischkutter am Strand vor sich hin und bietet einen wahrlich spektakulären Anblick. Eine detaillierte Besichtigung und Klettertour ließen wir uns natürlich nicht entgehen. In der folgenden Nacht machte sich allerdings das breite Heck der Amadie bemerkbar: Selbst die kleinsten Wellen bringen die Amadie vor Anker bereits ordentlich ins Schaukeln und in dieser Nacht blieb kein Teller und kein Glas an seinem vorgesehenen Platze.
Es folgte eine längere Überfahrt nach Voidokilias und Methoni, wo wir weitere venezianische Festungsanlagen besichtigten, die sich an strategisch wichtigen Orten die gesamte Adriaküste hinunterziehen. Von dort ging es weiter an die Südspitze des Mittelfingers des Peloponnes, wo wir auf Hendrik und einen Haufen Feuerfische stießen – die Plagen des Mittelmeers. Um einen dieser südlichsten Punkte Europas Festlands ranken sich zahlreiche Legenden und entsprechend viel bot ein Abend an der Spitze des Fingers: Das Tor zum Hades, ein Jahrtausende alter Schrein Poseidons, majestätische Turmhäuser auf den Gipfeln der vertrockneten Hügel, ein malerischer Sonnenuntergang am Leuchtturm, der seinesgleichen sucht.

Der nächste Stopp unserer Insel-Tournee war das Wanderparadies Kithira. Matthias und Saskia legten hier einen fliegenden Wechsel mit unseren nächsten Gästen, Jonas, Janusz und Rafael hin. Wie der Zufall so wollte, trafen somit am Abend des 09. Juli zehn Personen an Bord der Amadie zusammen, um ausgelassen in Jans 29. Geburtstag hineinzufeiern. Ein sehr lustiger Abend mit (kotz-)üblen Konsequenzen für die katernden Gäste am nächsten, stürmischen Tag. Gut, dass uns die Bucht von Diakofti ausreichend Schutz bot. Zunächst füllten wir jedoch unsere Wassertanks, indem wir 300 Liter in Kanistern von einem Hinterhofwasserhahn des Fähranlegers zur Amadie schleppten, da die eigentliche Wasserversorgung des Anlegers leider zusammengebrochen war und der lokale Sheriff/Hafenmeister/Feuerwehrhauptmann uns nicht weiterhelfen konnte, da am Wochenende in Griechenland leider kein Handwerker zu erreichen ist. Die nächsten zwei Tage waren geprägt von erholsamen Badepausen, anstrengenden Wanderungen, köstlichen Restaurantbesuchen und dem Abtauchen eines weiteren, spektakulären Wracks, dessen Unterwasserwelt gespenstisch und lebendig zugleich wirkt.
Weiter ging es nach Milos, einer Vulkaninsel mit schnuckeligen Dörfern und weißen Vulkangesteinsstränden. Hier verließ uns zu unser aller Bedauern unser längster Gast Maite, mit der wir bis dato mehr Zeit als ohne sie auf der Amadie verbracht hatten.





Die bierlastige Partystimmung der aktuellen Crew konnte im Folgenden jedoch nur von einem Ziel befriedigt werden: Der Partyinsel der Reichen und Schönen – Mykonos. Wir fühlten uns jedoch zunächst reichlich fehl am Platz, als wir schließlich in einer Bucht zwischen Dutzenden Megayachten ankerten, die die Amadie größtenteils in ihrer Beibootgarage hätten aufnehmen können - Wenn sie überhaupt eine besaßen und die Eigner nicht direkt per Hubschrauber an Land geflogen wurden. Am zugehörigen Badestrand, wo der Champagner nur so in Strömen floss, verscheuchte man uns mehr oder weniger mit dem Besen, als wir versuchten mit einer Ladung schmutziger Wäsche und ein paar Müllbeuteln anzulanden. Auch die Besichtigung von Mykonos-Stadt war zwar auf den ersten Blick sehr hübsch, am Ende aber ein überteuertes Disneyland Griechenlands. Zum Glück führte uns die Suche nach einem Waschsalon am dritten Tag an den Paradise Beach. Ein Strand, der deutlich eher unserem (Preis-)Niveau entsprach und an dem wir einen äußerst geselligen Partyabend mit zahlreichen Partybegeisterten unseres Alters aus aller Welt verbrachten.
Nunmehr beladen mit Philipps Familie, Erhard, Corinna, Nadine und unserem bis dato jüngstem Crewmitglied, dem vierjährigen Finn, ging es weiter nach zur Nachbarinsel Delos. Dort gibt es ein eindrucksvolles UNESCO-Weltkulturerbe zu besichtigen: die Ruinen einer antiken Stadt, die in ihrer Hochzeit 30.000 Einwohner beherbergte. Die Überreste zahlreicher Tempel und teilweise ganzer Stadtviertel geben hier einen guten Eindruck in das Leben einer griechischen Metropole vor 2.500 Jahren.
Nächstes Ziel: Naxos. Die Altstadt der gleichnamigen Inselhauptstadt, obgleich ebenfalls touristisch angehaucht, vermittelte einen deutlich natürlicheren und bewohnteren Eindruck einer griechischen Hafenstadt. Neben den markanten weißen Steinhäusern und -straßen fanden wir hier einige kulinarische Besonderheiten und die Möglichkeit unser Nahrungs-, Gas-, und Wassertanks aufzustocken.
Das letzte Ziel unserer Odyssee durch Griechenland war die Vulkaninsel Santorin. Spektakulär erheben sich ringförmig steil aufragende Klippen um eine kleine, zentrale Insel aus gigantischen, vulkanischen Felsbrocken, als hätte ein Riese seinen Steinkrug zerschlagen. Wir hatten zunächst einige Schwierigkeiten an den steil abfallenden Klippen einen Ankerplatz zu finden, zumal der Meltemi, das vorherrschende, starke Nord-Süd Windsystem in Ostgriechenland uns kräftig um die Ohren pfiff. Von den überall ausliegenden Ankerbojen wurden wir schnell verscheucht, da diese für Tagesausflugsboote reserviert waren. Schließlich warfen wir eine Landleine an die zentrale Geröllinsel und kletterten und tauchten eine Weile in diesem Mordor Griechenlands. Der nächste Tag war nicht weniger windig und wir versuchten zunächst ein gutes Dutzend Boottaxi-Unternehmen auf Santorin anzurufen. Leider waren alle ausgebucht, operierten nicht mehr oder waren mittlerweile Floristen und Hochzeitsplaner. In unserer Verzweiflung versuchten wir noch einmal den Hafen von Oia anzulaufen und siehe da – wir ergatterten den einzigen freien Platz an der winzigen Kaimauer vor der Klippenstadt. Natürlich lebt auch diese Stadt nur vom Tourismus, doch das tat dem nächtlichen Anblick der beleuchteten Höhlenhäuser und weißen Terrassen mit Blick über den gigantischen Vulkankrater Santorins keinen Abbruch. Ein wahrlich spektakuläres Finale unserer Griechenlandreise.


Am 24.07. verließ uns die Klicksche Familie, wir installierten unser AIS-System, um nun jederzeit live ortbar zu sein und setzten volle Segel zu unserer bis dato längsten, 950km langen Überfahrt gen Italien. Ob und wie wir diesen ersten Blauwasser-Stresstest gemeistert haben erfahrt ihr in unserem neuesten Video:
Europas unbekannte Küsten: Reisen durch Montenegro und Albanien
Am Mittag des 15.06. überquerten wir unsere erste internationale Grenze von Kroatien nach Montenegro und segelten unter starken Westwinden, die uns zu unserem ersten Reffmanöver zwangen, in die Bucht von Kotor ein. Schlagartig ließen Wind und Wellen nach und um uns erhoben sich majestätisch auf allen Seiten bewaldete Berghänge, die kaum Platz für zwei Häuserreihen in den vielen kleinen Dörfern an ihren Ufern ließen. Kurz darauf nahmen wir in Tivat unseren nächsten Gast, Hendriks Bruder Tobi, an Bord. Die geschützte Bucht verbunden mit einigen finanziellen Anreizen schien es für zahlreiche Multimillionäre äußerst attraktiv zu machten, ihre Megayachten vor Tivat zu parken. Circa 30 Luxusyachten lagen hier vor Anker, von denen die meisten die Amadie in ihrer Beiboot-Garage hätten aufnehmen können. Der Großteil von ihnen hatte allerdings bei all dem Prunk und Komfort ein entscheidendes, unentschuldbares Defizit: Ein eklatanter Mangel an Segel.
Es kostete uns beinahe einen kompletten Tag in die verwinkelte Bucht einzulaufen, so dass wir erst am nächsten Morgen ihr Ende in Form der alten Hafenstadt Kotor erreichten. Ein abendliches Erklimmen der umliegenden Stadtmauer schenkte uns einen malerischen Sonnenuntergang, ein Flanieren durch die pittoreske Altstadt ein Partyleben, wie die meisten von uns es seit Vor-Coronazeiten nicht mehr erlebt hatten.






Am nächsten Morgen brach die Crew exklusive Philipp, der weiter an seiner Bachelorarbeit zu unserem Energiesystem arbeiten musste, zu einem drei-tägigen Hike in Montenegros Hinterland auf. Eine halbtägige Busfahrt führte uns durch eine dicht bewaldete Berglandschaft, nur durchzogen von schmalen Straßen und tiefen Flusscanyons. Unzugänglich, wild und grün, ein echter europäischer Dschungel. Die erste Station unserer Wanderung führte in den Gora Nationalpark, ein unberührter Urwald um einen kleinen See mitten in den Bergen. Auf wenigen Quadratkilometern finden sich hier mehr Pflanzenarten, Amphibien, Insekten und Vogelstimmen, als in den meisten deutschen Bundesländern insgesamt. Die nächsten zwei Tage führten uns unausweichlich hinauf auf die umliegenden Berghänge. Ein anstrengendes Unterfangen, aber die Ausblicke auf die unberührte montenegrinische Berglandschaft machten dies mehr als wett. Als Belohnung gab es auf einem einsamen Bauernhof ein reichhaltiges Abendessen aus frisch gebackenem Maisbrot, Ziegenkäse, Schinken, Zwiebeln und Kartoffeln. Unser Fazit zu Montenegro: Ein echter Geheimtipp im Herzen Europas für alle die Gastfreundlichkeit und Bergwanderungen lieben.


Zurück auf der Amadie standen nun nach den ersten entspannten „Trainingswochen“ einige größere Schläge auf dem Routenplan. Zunächst ging es noch ein Stück weiter nach Budva, wo wir Lebensmittel aufstockten und schließlich zur ersten Nachtfahrt übers offene Meer bis nach Durres in Albanien. Ganz können wir uns Corona noch nicht entziehen und so mussten dort Philipp und Tilman von Bord, um für ein paar Tage für ihre Zweitimpfung nach Deutschland zurück zu kehren. Der Rest der Crew nutzte die Zeit, um das Schiff in Albanien einzudeklarieren, Wäsche zu waschen, die nicht sehr ansehnliche Stadt zu erkunden und zu tanken. Schmucklose Hochhäuser und viel Verkehr waren die prägendsten Elemente um den Industriehafen. Auch das Tanken gestaltete sich etwas schwierig, da es in Albanien keine Hafentankstellen für kleine Yachten gibt und uns mitgeteilt wurde, dass es nur Tanklaster mit >3.000 Liter Kapazität gibt. Während unserer Stadtbesichtigung gelang es aber dem freundlichen und etwas durchgeknallten Hafenpersonal einen Pick-up-Truck mit einem Dieselfass neben unser Boot zu manövrieren. Durch nuckeln am Schlauch schaffte es der Lieferant schließlich den Truck, den Hafen, sich selbst, die Amadie, aber glücklicherweise auch den Tank unseres Schiffes mit ausreichend Diesel zu bespritzen, dass wir weiterfahren konnten.




Die nächsten Tage waren entweder geprägt von gemächlichem Dahindümpeln bei kaum zu ertragender Schwüle oder Dahinrasen bei föhnartigen Fallwinden von den küstennahen Bergen. Die meiste Zeit war das Wasser so flach, dass wir noch Kilometer vor der Küste sicher ankern konnten. Landschaftlich und architektonisch gab es in Küstennähe nicht viel Interessantes zu sehen, bis auf einen größeren Salzsee hinter einem belebten Badestrand, der als „Naturschutzgebiet“ deklariert war, trotz der zahlreichen Dörfer um ihn herum. Mit lesen, Brettspielen, musizieren und schwimmen verging die Zeit dennoch wie im Fluge und schließlich erreichten wir die Nordspitze Korfus. Nachdem wir dort mit Andrea und Michael zwei weitere Gäste an Bord genommen hatten, ging es nochmal zurück zu Albaniens südlichster Küstenstadt Saranda. Ein absolutes Highlight war hier der Besuch der Halbinsel Butrinti. An strategisch wichtiger Position zur Kontrolle der Adria siedelten hier seit 2.500 Jahren die verschiedenen Mittelmeer-Großmächte und hinterließen ein gigantisches, wunderschön gelegenes Freilichtmuseum, in dem von griechischen Tempeln über römischen Foren und Villen bis zu venezianischen und osmanischen Festungsanlagen und heidnischen Kultstädten ganze Geschichtsbücher an Ruinen zu besichtigen waren. Ein überraschend beeindruckender Abschluss der sonst eher wenig eindrucksvollen Woche in Albanien. Doch macht euch gerne selbst ein Bild in unserem neuesten Video, während wir uns auf den Weg zur nächsten antiken Hochkultur, nach Griechenland, machen:
Ein steiniger Start: Segeln im kroatischen Inselreich
Guten Mutes hissten wir am Nachmittag des 2. Juni die Segel und machten uns auf den Weg, um die erste von vielen Nächten in einer einsamen Bucht zu verbringen. Das erste Aufblähen der Segel wurde gebührend mit einem 15 Jahre alten Glennfiddich begossen, ein besonderer Tropfen für einen besonderen Moment. Nachdem die Gespräche verstummt waren, blieben wir in dieser ersten Nacht noch lange im Cockpit der Amadie sitzen und bewunderten das Sternenzelt, fernab der nächsten menschlichen Lichtquelle.
Der nächste Tag begann mit einem befreienden Bad im Meer - zumindest bis wir zwei Rückenflossen unser Boot umschwimmen sahen. Ein fachmännischer Drohnenflug beruhigte uns aber: Es handelte sich nicht um einen gefürchteten Mittelmeerhai, sondern um einen seltenen blauen Marlin, auch bekannt als Schwertfisch. In den nächsten Tagen sollten wir noch bei zahlreichen Gelegenheiten größere Fischschwärme und einige Delfinschulen zu Gesicht und vor die Kamera bekommen. Das Mittelmeer ist in dieser Hinsicht ein nicht zu unterschätzender Ort für Fischbeobachter.
Nachdem wir nochmal eine kleine Reparatur an unserem Dinghi-Motor in Sibenik vorgenommen hatten, flossen die ersten Meilen nur so unter unserem Kiel dahin. In den kommenden Tagen konnten wir die Segeleigenschaften der Amadie auf Schot und Tuch prüfen und zeigen uns bis jetzt sehr zufrieden, ob der guten Steuereigenschaften und vergleichsweise hohen Rumpfgeschwindigkeit (der physikalisch maximal möglichen Segelgeschwindigkeit) von ca. 9 Knoten. Nur in den Abendstunden fällt der Wind in Kroatien oft stark ab, so dass wir nicht umhinkamen, ab und an die letzten Meter in die nächste Bucht unter Motor zurück zu legen.





Unsere Reise durch die kroatischen Inseln führte uns an zahlreichen Sehenswürdigkeiten und Naturschauspielen vorbei. Darunter befanden sich zum Beispiel ein Spaziergang entlang einer 500 Jahre alten Festungsmauer gegen ottomanische Landangriffe, eine Besteigung der Klippen auf der Halbinsel vor Split mit fantastischem Blick über die umliegende Bucht, ein Abendessen in einem abgelegenen Inseldorf, ein Tauchgang in einer Grotte, must die in ihrer Vergangenheit ein Schmugglerversteck gewesen sein muss und und und. Die urbanen Highlights dieser ersten zwei Segelwochen waren drei der wohl bekanntesten und touristischsten Städte Kroatiens: Split, Korcula und Dubrovnik. In allen drei fiel uns neben den wunderschönen, historischen Altstädten mit den zahlreichen verwinkelten Gassen und beeindruckenden Bauten und Stadtmauern, vor allem die Abwesenheit der üblichen Touristenscharen auf. Ein Nachbeben der Corona-Pandemie, die uns sehr zu Pass kommt. Dies ging so weit, dass wir in Dubrovnik vom kroatischen RTL interviewt wurden, um über die wieder hergestellten Reisemöglichkeiten zu berichten.
Die besten Eindrücke könnt ihr wie immer hier in unserem Video sehen:

In Split nahmen wir unseren ersten Reisegast an Bord, Paul Anderheiden, der uns eine Woche tatkräftig beim Segeln, dem Haushalt auf der Amadie, Schnorcheln, Wandern und Trinken von Bier begleitete. In Dubrovnik gab es einen fliegenden Wechsel zu Maite Andersen – und wir dürfen uns danke euch weiter auf zahlreiche personelle Abwechslung freuen 😊
Das letzte Erlebnis in Kroatien war eine nächtliche Begehung des Hotel Belvedere, das nur sechs Jahre nach seiner Errichtung im Jugoslawien-Krieg aufgegeben wurde und nun seit dreißig Jahren ein Musterbeispiel für einen „Lost Place“ ist. Und tatsächlich verloren wir uns mehrfach in dem gigantischen Komplex mit seinen unzähligen Stockwerken, Anbauten, Sälen, Zimmern, Treppenhäusern. Bei Nacht ein Erlebnis, das geradezu danach schrie, der Auftakt für einen Horrorfilm in einem Geisterhotel zu sein.
Doch wir überlebten. Gerade so. Und freuen uns nun schon darauf, euch in unserem nächsten Eintrag von unseren Abenteuern in Albanien und Montenegro zu berichten!


Liebe auf den ersten Blick: Kauf und Ausrüstung der Amadie
Als wir im Sommer 2020 beschlossen, den fixen Traum vieler Barabende und Schwärmereien über Reisevideos anderer Weltumsegler tatsächlich in die Tat umzusetzen, konnte sich keiner von uns vorstellen, was uns erwarten sollte. Und nun, knapp ein Jahr später im Salon der Amadie drei Tage nach Start unserer Reise, können wir es immer noch nicht wirklich glauben, was wir hier eigentlich tun. Aber lassen wir erstmal das vergangene unsägliche Corona-Jahr aus Sicht einer werdenden Crew Revue passieren.
Wie immer begann alles mit googlen, diesmal nach Online-Bootsbörsen. Wir hatten einige wenige Parameter vordefiniert: 40 Fuß Länge sollten es schon sein für den entsprechenden Komfort und ausreichende Sicherheit und Stabilität für eine Blauwasserfahr. Idealerweise drei Kabinen für Philipp, Hendrik und Jan plus eine Gästekabine. Und nicht zu teuer, 90 Tausend inklusive aller noch zu installierender Zusatzausrüstung planten wir als Limit. Die Liste an Booten in dieser Größe und Preiskategorie war (zum Glück) sehr überschaubar. Schnell hatten wir die Handvoll Eigner kontaktiert, deren Yachten für uns in Frage kamen, vier Termine in Kroatien auf ein Wochenende koordiniert und innerhalb von 10 Tagen die Reise geplant. Wir erinnern uns, Reisen war auch im Sommer 2020 Corona-bedingt nicht unaufwändig, so dass wir hofften mit einem Trip möglichst viel Erfahrung für die weitere Suche sammeln zu können. Die erste Yacht, die wir besichtigten, war direkt eine herbe Enttäuschung; eine 15 Jahre alte Bavaria-Charteryacht, die schon beim groben Hinschauen so viele Schäden aufwies, dass die notwendigen Reparaturen wahrscheinlich die Kosten für den Kauf überstiegen hätten.
Ganz anders bereits die zweite Yacht: Liegeplatz Sibenik, Verkäufer der österreichische Premium-Vercharterer Luga Yachting 2000. Zwischen all den blank polierten Riesenkatamaranen wirkte die Amadie fast etwas unscheinbar und klein, obwohl sie sich mit ihrer marineblauen Färbung und 43 Fuß Länge sicher nicht hinter den Fahrtenyachten anderer Weltumsegler verstecken musste. Das Boot gefiel uns auf Anhieb so gut, dass wir die nächsten 24 Stunden damit verbachten, das Schiff auf jede uns erdenkliche Art auseinander zu bauen und in jede Luke und hinter jeden Schlauch zu schauen, um sicherzugehen, dass wir auch ja keinen groben Schaden übersahen. Aber bis auf die zu erwartenden Gebrauchsspuren bei einem 12 Jahre alten Boot, fielen uns nur einige Kleinigkeiten auf, die wir mit dem Verkäufer verhandeln konnten. Auch über den aus unserer Sicht sehr fairen Preis waren wir uns nach zwei Verhandlungsrunden einig und konnten den Kaufvertrag Oktober 2020 abschließen. Die restlichen Besichtigungstermine an diesem Ausflug hielten wir kurz oder sagten sie gleich ganz ab. Das wir so schnell ein so passendes Boot finden würden, hätten wir uns vorab niemals erhofft!
Die folgenden Monate waren Corona-bedingt und durch Jans Arbeit in Mali durch zahlreiche organisatorische Videokonferenzen geprägt, in denen wir ausgiebig alles technische und administrative To-Dos diskutierten. Ab Februar 2021 wurde zudem unsere Crew durch unser viertes Mitglied Tilman ergänzt. Ganz ohne eine zweite Besichtigung der Yacht ging es auch nicht, so dass Hendrik und Philipp im März 2021 nochmal nach Sibenik reisten, um die Yacht detailliert für die Installation unserer elektrischen Anlage zu vermessen. Philipp gelang es im Zuge dessen das Nützliche mit dem Praktischen und effektivst zu verbinden, in dem er nicht nur die Planung und Simulation unserer Solar- und Windenergie-Anlage als seine Bachelorarbeit anmeldete, sondern mit dem Unternehmen Solara auch einen großzügigen Sponsor fand, dass uns gegen Erhebung der entsprechenden Messdaten für jeden freien Quadratzentimeter unseres Decks entsprechende Solarpanele zur Verfügung stellte.








Am 24. Mai war es schließlich soweit. Tilman und Jan hatten ihre Jobs gekündigt, Hendrik und Philipp ihren Bachelor abgeschlossen. Knapp zwei Tonnen Material und Ausrüstung waren bestellt und teils nach Sibenik geliefert, teils in die Autos unserer hilfsbereiten Fahrer nach Kroatien verladen. An diese Stelle ist nochmal ein entsprechend großes Dankeschön an Eduard, Gabi und Erik fällig! <3
Angekommen nach 15 Stunden Fahrt ließen wir uns nur wenig Zeit zur Entspannung und legten gleich mit kistenweisem Werkzeug und einer schier unendlichen To-Do-Liste los. Eine fantastische Hilfestellung dabei waren die Mitarbeiter von Yachting 2000, insbesondere unser Ansprechpartner Leo, die uns bei allen Fragen und Problemen mit Orts- und Sachkunde zur Seite standen. 10 Tage lang schraubten, sägten, klebten und verkabelten wir an der Amadie herum, die teilweise bis 22 Uhr dauernden Arbeitstage nur aufgelockert durch die Erwartungen übertreffenden kulinarischen Köstlichkeiten vom selbsternannten Schiffskoch Jan und hier und da eines gelegentlichen Films oder Feierabendbiers. Während Tilman zum unermüdlichen Schiffsschreiner mutierte, verschwand Philipp die meiste Zeit tagelang in irgendwelchen Kisten, um die gesamte Elektrik neu zu verlegen, Hendrik fokussierte sich auf den Bau unseres Solarpanele-Trägers, Jan zum Beiboot-Flicker erster Güte. Am Ende kannten wir jeden Baumarkt, jede Garagenwerkstatt, jeden Yachtspezialisten in Sibenik.
Eine (nicht vollständige) Liste unserer Arbeiten, um die Amadie hochseetauglich zu bekommen umfasst: Bau des Geräteträgers am Heck, Installation und Anschluss von 8 Solarpanelen, Aufbau eines Windgenerators, Reparatur des gerissenen Beiboots, Aufziehen der neuen extra reißfesten Segel, Bau einer Halterung für unseren neuen 8 PS Beibootmotor, Einbau eines Dutzend zusätzlicher Regale, Einbau neuer Batterien und Sensorik für die Elektronik und last but not least den Einbau einer Heimkinoanlage.
Aber seht selbst in unserem Video:
Am 02. Juni war es endlich soweit und wir lichteten endlich den Anker zum Aufbruch in ein ungewisses aber mit Sicherheit fantastisches und sehr, sehr blaues Abenteuer!
